Um 09.30 Uhr krochen wir heute aus den Schlafkabinen, die dank der Kiefern auf dem Zeltplatz noch angenehm temperiert waren. Die männliche Gesellschaft duschte ihre Astralkörper, während Frau das Frühstück zubereitete. Klare Rollenverteilung.
Gegen 12 Uhr traten wir dann den etwas längeren Weg in die City an. Da der Campingplatz doch etwas sehr ab vom Schuss liegt, hieß das, ohne Busfahrpläne mit dem Bus zu fahren und zu hoffen, dass man irgendwo ankommt, wo man Anschluss findet. Dies war dann tatsächlich der Fall, so dass wir zunächst zum Museum des Warschauer Aufstandes mit der Straßenbahn weiterfahren konnten.
Seit dem Überfall auf Polen am 01.September 1939 und der wenig später erfolgenden Einnahme von Warschau regten sich erste Widerstandsbewegungen in Warschau, die zunehmend organisierter wurden und sich bei allen Gelegenheiten Ausrüstung der Deutschen und Sowjets einberaumten. Ganz im Gegenteil zu anderen Städten akzeptierte der Großteil der Warschauer Bevölkerung nicht, dass Juden deportiert und im Warschauer Ghetto interniert wurden, sondern versuchten, bei jeder Gelegenheit zu helfen. Obwohl der Aufstand im Warschauer Ghetto 1943 blutig niedergeschlagen wurde, gab es den Warschauern weiteren Mut, sich aktiv zur Wehr zu setzen. Am 01. August 1944 griffen die Soldaten des Polska Walczaca- des kämpfenden Polen- zu den Waffen und erlangten trotz schlechter Ausrüstung recht schnell Gebiete zurück. Dies blieb nicht ungeahndet. Himmler ließ SS- Truppen aufmarschieren und gab den Befehl, jeden und alles in Warschau zu vernichten. Trotz erbitterter Kämpfe mussten die Warschauer nach 63 Tagen kapitulieren. Am Ende des Aufstandes waren fast 200.000 Zivilisten und 20.000 Soldaten den übermächtigen Deutschen und den nicht eingreifenden Sowjets zum Opfer gefallen. Weitere 300.000 Warschauer wurden verschleppt oder deportiert, über 90 % der Stadt zerstört.
Der mutige, aber doch aussichtslose Kampf ist noch heute in Erinnerung, das Erkennungszeichen des PW in Form eines Ankers ist überall in Warschau zu sehen.
Nach dem eindrucksvollen, aber doch sehr großen Museum ging es nach einem kurzen Hunger-Aggro-Intermezzo meinerseits durch einen Snack gestärkt zum „Stalinstachel“, dem Kulturpalast. Dieses überdimensionierte Bauwerk (231 m hoch, 3288 Räume auf 38 Stockwerken mit einem Gesamtvolumen von 1 Mio. m3) schenkte Stalin den Warschauern, obwohl das Ding kein Mensch haben wollte. Jetzt kann man wenigstens schön von 114 m einen Blick auf die Stadt werfen. Noch schöner wäre es gewesen, wenn nicht die ganze Stadt schon eine Woche vor dem Weltjugendtag mit jugendlichen Christen vollgestopft wäre, die fröhlich krakeelend durch die Stadt missionieren. Aber naja, wir sind ja tolerant.
Schließlich ging es noch mit der Bahn zum Umschlagplatz, dem Ort, an dem tausende von Juden und Polen in Richtung Treblinka deportiert wurden. Anschließend spazierten wir noch zum Denkmal der jüdischen Ghettohelden, vor dem Willy Brandt 1970 eine plötzliche Altersschwäche bekam und in die Knie gehen musste. Weil das auch für die Polen eine bedeutende Geste war, wurde gleich neben das Denkmal der gefallenen Ghettohelden noch ein Denkmal des Kniefalls gebaut. Selbst geschwächt von dem vielen Denken an den Malen fuhren wir gleich in die polnische Version der Pizzeria, einer Pierogarnia, um uns zu stärken. Piroggen sind praktisch Maultaschen, die mit allerlei leckeren Füllungen serviert werden. Während Thommy sich an die möglicherweise vegane Linsenversion hielt, kosteten wir uns durch die ganze Palette der Piroggenspeisekarte.
Am Ende des Tages wurden in der schönen Altstadt noch ein, zwei Bier konsumiert, beim Dönermensch noch ein, zwei Wegbier geholt und dann der Heimweg ins Zelt angetreten.
Hier belustigt uns schon seit gestern unser Zeltnachbar, ein Motorrad fahrender Schwede, der die günstigen polnischen Bierpreise jeden Tag in vollen Zügen ausnutzt. Derart ausnutzt, dass er schon heute den zweiten Tag so voll wie drei Russen ist. Seine Darbietung von gestern, unten ohne gegen die Laterne zu pissen, konnte allerdings heute nur noch durch das Umwerfen seines eigenen Motorrads überboten werden.
Soweit von uns. Morgen geht es an die weißrussische Grenze circa bei Terespol, um für Dienstag schon eine günstige Ausgangslage für die Fahrt nach Minsk zu haben.






