28.07.2017 – Stepanzminda (Kazbegi)

Der Tag begann mit einem Blick aus dem Fenster. Da wir nachts ankamen, hatten wir keine Vorstellung von der Umgebung. Was wir da sahen, gefiel uns sehr gut. Berge überall um uns, davon der höchste der schneebedeckte „Kazbegi“ mit 5047 m. Erst einmal packten wir unser Zeug, weil wir noch einmal in eine andere Unterkunft ziehen wollten, parkten das Auto am Marktplatz und holten Lebensmittel für den heutigen Trip. Danach aßen wir in einem kleinen Imbiss „Khachapuri“, ein Hefebrot, das mit Sulguni, einem georgischen Salzlakenkäse gefüllt oder überbacken ist. So gestärkt, leihten wir uns zwei Mountainbikes aus. Unser Ziel war die fast 500 Höhenmeter über Kazbegi gelegene Gergeti-Dreifaltigkeitskirche.
Wir fragten noch extra nach, ob man da hoch mit dem Mountainbike kommt. Ja, das gehe, war die Antwort. Also machten wir uns, gedopt mit viel Käse vom Frühstück, auf den steilen Weg bei über 30 Grad und gnadenlosen Sonnenschein. Eigentlich hätte uns schon auf den ersten Metern klar werden sollen, dass die schlecht ausgebaute, steile Schotterstraße besser zum Wandern, als zum Rad fahren geeignet war. Aber jetzt hatten wir das Ding einmal eingerührt, also mussten wir da durch. Da wir relativ schnell vom Weg abkamen, den die faulen Touristen nehmen, indem sie sich mit Jeeps hoch bringen lassen, mussten wir die Bikes mehr tragen, als fahren. Schon nach 20 Minuten war ich eigentlich so am Ende, dass ich schon den Wunsch verspürte, so etwas melodramatisches wie „Lass mich hier allein zurück, du schaffst es besser ohne mich“ zu sagen. Nach viel Wasser und Schatten ging es aber dann wieder. Festzustellen, dass die Wanderer schneller als wir, die ihre Räder mehr schoben als fuhren, sind, war dennoch etwas frustrierend. Wir sind sozusagen auf der steilen, steinigen, mit tiefen Spurrillen ausgefahrenen Strecke hoch „geh-fahren“. Auch die ständig Staub aufwirbelnden Jeepfahrer inklusive ihrer Gäste schauten uns mit einer Mischung aus Bewunderung und Belustigung an.
Nach einer scheinbaren Ewigkeiten tat sich jedoch die auf einem von Bergen umgegebenen Hochplateau gelegene Kirche vor uns auf. Für diesen Anblick hatte sich die Anstrengung wahrlich gelohnt. Das einzige, was dieses gewaltige Panorama störte, waren die Jeeps, welche die ganz faulen Touristen bis direkt vor die Kirche karrten und damit mit ihren Rädern in mehreren, tiefen Spuren die schöne Natur zerschnitten. Ein bisschen ärgerlich war es schon, dass wir mit den Mountainbikes hier oben waren, denn ansonsten hätten wir noch Zeit gehabt, um zum Gletscher am Fuß des Berges Kazbegi zu laufen. Aber wir konnten stolz vermelden, dass wir die einzigen Personen mit Mountainbikes an der Kirche waren. Vielleicht die einzigen idiotischen Personen, aber immerhin. Vielleicht aus Mitleid, bekamen wir oben von einem Georgier noch einen riesigen, großartig schmeckenden Pfirsich geschenkt.
Nach der Besichtigung der Kirche, die uns Gottlosen weniger als die Natur zusagte, machten wir uns an die Abfahrt. Für Christian als erfahrenen Mountainbiker war das nicht so problematisch, aber mir machte die Steilheit, verbunden mit Spurrinnen und losen Geröll ganz schön zu schaffen. Wir waren fast schon unten, da verdeckte der aufgewirbelte Staub eines vorfahrenden Jeeps eine Spurrinne, in die ich hineinrutschte und so noch einmal genau die Strecke ausmaß. Zum Glück passierte aber abgesehen von ein paar Schürf- und Schnittwunden und blauen Flecken nichts. Unten angekommen, gab es auf den Schreck erst einmal ein kühles Bier, „Badrijani Nigvzit“ und sauer eingelegtes Gemüse, um den Mineralienverlust wieder auszugleichen.
Anschließend fuhren wir ein Stück der gleichen schlechten Strecke mit dem Auto hoch, um zu unserem Guesthouse zu kommen. Dabei gerieten wir etwas in Konflikt mit einem georgischen Opa, der sich scheinbar zum Oberwächter einer Baustellenschranke auserkoren hatte. Erst, als jemand ihm verständlich machte, dass wir nur ein paar Meter weiter hoch wollen, ließ er uns gnädigerweise durch. Als wir ankamen schob Christian ziemlich schlechte Laune, da wir zweimal aufgesessen waren. Das Abendessen im Guesthouse entschädigte aber für den schlechten Weg dahin. Die Gastmutter und ihre Tochter tischten so unfassbar viel Essen für uns auf, soviel würden nicht mal unsere Mütter für uns auftischen. Von Hühnersuppe mit Koriander, „Badrijani Nigvzit“ (mit Walnusspaste gefüllte Aubergineröllchen), Khachapuri (Käsebrot), Hähnchen mit Kartoffeln, Salat, Pfirsichen und Khinkali (gefüllte Teigtaschen) war alles dabei. Dazu gab es eine ganze Karaffe voller Tschatscha (Obstbrand aus Trauben), aus der großzügig nachgeschenkt wurde, sobald das Glas geleert war. Ein gutes Beispiel für die Gastfreundschaft der Georgier. Beim Essen erfuhren wir auf halb russisch, halb englisch so einiges über georgische Eigenheiten. Dazu gehört zum Beispiel ein großer Familienzusammenhalt, der sich vor allem im ausgiebigen, lang andauernden gemeinsamen Trink- und Essgelagen zeigt. Das können wir uns nach diesem Festmahl gut vorstellen und so fielen wir mehr als gut gestärkt nach diesem anstrengenden Tag todmüde ins Bett.

 

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Die kleine Kirche auf dem grünen Berg –> Da wollten wir hin
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Ziel erreicht
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Geschafft, aber glücklich
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Blick von der Kirche auf das Tal und den Kazbegi
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Gergeti-Dreifaltigkeitskirche

 


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