Es wurde an diesem Tag selbst ohne Schlafsack eine sehr warme Nacht im Zelt. Früh räumten wir unser Zeug zusammen und machten noch bei dem Café Halt, um zu frühstücken. Das dargebotene Frühstück riss selbst mich als Frühstücksgegner vom Hocker. Der ganze, kleine Tisch war voller Leckereien – verschiedene Käsesorten, Joghurt mit Honig, selbstgemachte Marmeladen, Tahini-Aufstrich, Gemüse, Obst, Oliven, getrocknete Tomaten und Unmengen von Tee. In einer Menge, dass das locker für vier Leute gereicht hätte und wir so für die gesamte Fahrt gut mit Essen versorgt waren.
Aufgrund von Tipps durch die beiden Münchner Australienreisenden hatten wir uns entschieden, von Cannakale die Fähre auf den europäischen Teil der Türkei zu nehmen. Dass es diesen Weg außer den über Istanbul gibt, hatten wir bis dato noch gar nicht gewusst. Gegen Istanbul sprach nicht unbedingt nur die Sicherheitslage, sondern auch die wohl völlig verrückten Autofahrer in Istanbul plus Verkehrsstaus in der Stadt, die durch die wenigen Brücken zwischen Europa und Asien entstehen. Nicht, dass Istanbul nicht interessant gewesen wäre, aber wir hatten schon den Besuch von Troja ausgelassen, weil wir jetzt wirklich eher schon im Entspannungsmodus waren. Irgendwann reicht es einfach erstmal mit Angucken, man ist übersättigt mit Eindrücken und braucht eine Pause. Da wird man Istanbul oder Troja nicht gerecht, wenn man sich gar nicht mehr voll diesen Sehenswürdigkeiten widmen kann.
Relativ problemlos und schnell ging es in Cannakale auf die Fähre, die uns wieder nach Europa brachte. Hier in der Region Gallipoli fanden im Ersten Weltkrieg erbitterte Schlachten um diesen so wichtigen Zugangspunkt zum Osmanischen Reich statt. Nach 15 Minuten Fahrt rollten wir auch schon wieder von der Fähre herunter und steuerten den fast zwei Stunden entfernten Grenzübergang nach Griechenland bei Ipsala an. Den Grenzübergang sahen wir als so etwas wie letzte Hürde aus der Türkei an. Aber es verlief alles schnell und problemlos. Eine sehr ungewöhnliche Handhabe gab es aber doch. Normalerweise gibt man seinen Pass hin und dann fragen die Grenzbeamten nach dem Angucken noch einmal: „Anika?“ oder „Christian?“, um zu sehen, ob man reagiert. Hier war es jedoch so, dass wir nur mit dem Auto vorgefahren sind und sie anhand des Kennzeichen gleich „Christian?“ sagten. An jeder Tankstelle hatten die Tankwarte auch das Kennzeichen eingegeben, was sonst noch nie so gemacht wurde. Vielleicht hätte man sich in einem anderen Land mit anderen politischen Umständen gar nichts dabei gedacht, aber das alles hinterließ so ein bisschen den Eindruck von „Wir wissen ganz genau, wer du bist und wo du dich wann befunden hast“.
Trotz der Freundlichkeit der Menschen, der wahnsinnig schönen Landschaft, der Kulinarik und sonst noch allem, was es an der Türkei Gutes gibt, waren wir sehr froh, dieses politisch so restriktive Land ohne Zwischenfälle mit Autoritäten verlassen zu haben. Welch Ironie, dass man jetzt von einem Land, das nun eher einer Diktatur ähnelt, jetzt in das Land fuhr, in dem die Demokratie erfunden wurde.
Als wir noch fuhren, schaute ich im Internet, wo wir am Besten die Nacht verbringen werden. Da alle Unterkünfte zwischen Alexandropolis und Thessaloniki entweder ausgebucht oder über Preisen von dem lagen, was wir maximal für ein Zimmer auszugeben bereit wären (Kann jemand erklären, was man in einem Zimmer für über 50 € die Nacht macht, damit das ganze ein ausgewogenes Preis-Leistungs-Verhältnis bekommt??), steuerten wir auf Xanthia abseits der Küste zu. Das war erstens preiswerter und zweitens konnten wir uns damit wahrscheinlich mal wieder die Enttäuschung ersparen, dass es am Mittelmeer scheinbar kaum noch Nicht-Sardinen-Strände gibt. In Xanthia kam es etwas später fast zum Eklat, weil die ausgesuchte Taverne direkt um die Ecke einen Tag vor Mariä Himmelfahrt geschlossen hatte und wir so fast 3 km zum nächsten empfohlenen Restaurant liefen. Christian akzeptiert normalerweise, dass ich in Bezug auf gutes Essen sehr wählerisch bin, aber wenn er Hunger hat und wir schon an fünf Imbissbuden vorbeilaufen mussten, dann ist Krieg! Zum Glück erreichten wir mit Müh und Not das ausgesuchte Etablissement und griechischer Salat, Dolma (Weinblätter mit Reis), Spaghetti Frutti di Mare, gegrillter Oktopus und viel griechisches Bier machten dann auch alles wieder gut. So gestärkt traten wir den Rückweg an, holten uns noch im Späti ein Bier und machten es uns im Hotelzimmer gemütlich.
