Am Sonntag, den 15.07.2018 war es nun soweit. Nach einem Wochenende beim Back to Future mit massiven Schlafentzug und Alkoholzufuhr sollte es nun wirklich so richtig losgehen. Zuerst standen noch mit der Verabschiedung von Freunden beim Festival und beim Mittag bei meiner Familie noch ein paar schwere Momente an. Das Loslassen fiel doch wie so oft viel schwerer als gedacht.
Vollkommen ohne Probleme (im Gegensatz zu manch anderen Teams, die schon auf dem Weg zur Startlinie mit massiven technischen Schwierigkeiten kämpften) kamen wir kurz nach 17 Uhr mitten im Wald westlich von Prag an der Grenze zur selbst ernannten Republik „Adventuristan“ an. Hier wurde nur jeder eingelassen, die das gleiche Schicksal ereilt hatten wie uns – so verrückt zu sein, mit einer kleiner Schrottkarre in die Mongolei fahren zu wollen.
Nachdem wir uns registriert hatten, bekamen wir noch Biergutscheine, ein T-Shirt und Shame-Aufkleber, mit der wir jedes Auto bekleben sollten, das offensichtlich nicht unter 1,2 l Hubraum besitzt. Direkt im Anschluss an den Zeltaufbau spazierten wir ein bisschen auf dem stillgelegten Militärgelände herum, dass mit viel Mühe und viel DIY in einen richtigen Abenteuerspielplatz aus Schrottkunst gestaltet wurde. Das größte Erlebnis waren natürlich die anderen Autos – von neueren Modellen ohne jegliche Verzierung über ein paar vereinzelten Mopeds und Oldtimern, die deutlich älter als deren Besitzer waren bis hin zu total verrückten Karren, die zum Beispiel vollständig mit pinken Plüsch oder Kunstrasen beklebt waren, war alles dabei. Wir fachsimpelten ein bisschen mit anderen Teilnehmern, die sich von überall aus der Welt mit ihren Autos eingefunden hatten. Wenn man an Teams aus Südamerika, Australien oder Neuseeland denkt, die ihr Auto erst in Europa kaufen mussten, hatten wir wirklich eine einfache Anreise und genug Zeit, uns mit unserem „Flipper“ anzufreunden. Die meisten Teams kommen aus Großbritannien, wo auch bis dieses Jahr der Start stattfand und die häufigsten Automodelle sind Nissan Micra und Fiat Panda. Wir sind mit unserem Peugeot 206 kleine Exoten, was aber nichts Schlechtes heißen muss. Wer Fußballweltmeister wird, kann vielleicht im Autobau auch nicht so viel falsch gemacht haben. Netterweise bekamen wir noch von einem Schweizer und zwei zusammengehörigen Teams aus Wolfenbüttel und Salzgitter ein bisschen technische Hilfe mit dem eigenartigen sägenden Geräusch von Flipper und der spät kommenden Kupplung. Auch wenn wir bisher noch keinen kennen gelernt haben, der exakt unsere Route fährt (die meisten Teams fahren durch den Iran oder über das Kaspische Meer), ist das doch schon einmal ein gutes Vorzeichen, dass man immer nette Menschen findet, die gewillt sind, einem zu helfen.
Nach der Begrüßung machten deutlich kleinere Mongolen ein paar übermütigen „westlichen“ Freiwilligen klar, dass sie die Meister in traditionellen Ringkämpfen sind. Wir ließen die Gelegenheit aus, uns schon vor dem Start durch Ringkämpfe, übermäßigen Alkoholkonsum oder durch „Wieviele-Menschen-passen-auf-einen-Nissan-Micra?“- Wettbewerbe fahruntüchtig zu machen. Da wir schon das Wochenende davor genug Erlebnisse hatten und genug geistigen und körperlichen Schaden mit uns trugen, übertrieben wir es nicht.
Das wurde uns am nächsten Tag gedankt, als der Veranstalter die ganzen Schnapsleichen pünktlich um 9 Uhr mit einer gesamten Blaskapelle förmlich aus den Zelten heraustrompetete. Um 10 Uhr fanden sich dann alle auf dem Hauptplatz ein, um das Team zu ehren, was mit dem ältesten und schrottigsten Auto fuhr (zwei Franzosen in einem 77-er Citroen „Ente“). Da wären wir ganz gut dabei gewesen, wenn wir wirklich, wie ganz kurz überlegt, mit einem Trabi losgefahren wären. Auch diejenigen, welche die meisten Spenden für Cool Earth gesammelt haben, wurden aufgerufen. Insgesamt kamen durch die diesjährige Rally 84.000 britische Pfund für nur diese Organisation zusammen. Eine ganz andere Ehrung bekamen zwei etwa 60-jährige Australier, die mit ihrem roten Nissan Quashquai am meisten „Shame-Aufkleber“ gesammelt hatten. Auch der weite Anreiseweg zählte nicht, als Strafe müssen die beiden jetzt einen riesigen Röhrenfernseher in die Mongolei mitschleppen.
Danach stolperten alle mehr oder weniger übermüdet zu ihren Autos, ließen mit mehr oder weniger Mühe den Motor an und los ging es. Aufgrund der fehlenden Zwischenpunkte werden wir wohl die meisten Autos nicht mehr wiedersehen.
Auf der ersten Etappe sahen wir bis Budapest immer mal wieder ein paar Teams, doch dann bogen wir in den Südwesten ab, weil wir uns noch frisch fühlten und noch ein paar Kilometer machen wollten. Eine Vernunftentscheidung, denn Budapest ist eine tolle Stadt. Wir landeten dann gegen 19 Uhr in einer Kleinstadt namens Szekszard in einem kleinen Hostel. In einem Restaurant nicht weit entfernt ließen wir uns dann noch die gute ungarische Küche schmecken und quälten uns auch ohne Palatschinken zum Nachtisch dann ganz schön den Berg hoch zurück in unser Hostel. Auch an diesem Tag wurde noch etwas Schlaf nachgeholt, weil wir beide gesundheitlich noch angeschlagen sind und ich noch immer mit den Nachwirkungen des Festival wie zum Beispiel extremer Heiserkeit kämpfe. Das nächste Ziel ist ein kleiner Umbogen nach Sarajevo, da Bosnien auf den letzten Balkanreisen immer nur zügig am kleinen Küstenstreifen durchquert wurde.







