Früh brachen wir in Sofia auf, kauften noch ein bisschen Brot und billiges Bier für die Türkei ein und ab ging es Richtung bulgarisch-türkische Grenze. Auf dem Weg dahin machten wir zum zweiten Male die 1000 km voll und warteten nun auf die Einreise in das achte Land dieser Reise.
Mit einer Grenzwartezeit von einer Stunde kamen wir im Gegensatz zu vielen Team, die ewig für eine Versicherung für die Türkei anstanden, gut durch die Grenze.
Nicht mehr gut durch ging es schon ca. 10 km vor Istanbul. Christian, der sich schon auf verrückten Stadtverkehr gefreut hatte, resignierte zusehends angesichts der Tatsache, dass wir insgesamt 3 h im absoluten Schneckentempo brauchten, um uns von Norden bis in den asiatischen Stadtteil Moda durch die 15 Mio.-Stadt zu quälen. Auf dem ganzen Weg sahen wir aber 6 Auffahrunfälle, da es viele Autofahrer für nötig hielten, rechts, am besten noch ohne Blinken zu überholen, um vielleicht 30 sek eher am Ziel zu sein.
Als wir gegen 19 Uhr dann endlich ankamen, musste noch das Auto abgeparkt werden. Also im nächsten Parkhaus eine Karte gezogen, durch die Schranke gefahren und hoch ging es ins Parkhaus. Nein, halt, hoch ging gar nichts, denn Flipper sah es nicht ein, die Auffahrt zu bewältigen. Nachdem sich der Parkhausmitarbeiter, der wahrscheinlich dachte, wir sind zu blöd am Berg anzufahren, auch die Zähne an dieser Aufgabe aufgebissen hatte, schoben schlussendlich wir und der Fahrer des Autos hinter uns Flipper die Auffahrt hoch. Nach diesem Nervenkitzel waren wir erst einmal am Hostel ganz schön breit und vollkommen ausgehungert. Da ich in diesem Stadium gar nicht mehr klar denken kann, entschied sich Christian für zwei riesige Pide (Art Pizza in Bootsform). Nach diesen gigantomanischen Teilen und Bier ging man so langsam zur Menschwerdung über. Zum Trinken setzten wir uns zu Azad, der aus dem kurdischen Teil der Türkei stammte. Mit viel Ärger in der Stimme erzählte er uns von der derzeitigen Situation in der Türkei, vor allem vom Versuch, jegliches Andersdenken auf eine Linie zu bringen und von der tiefen Spaltung des Landes in fanatische Anhänger Erdogans und wiederum Menschen, die nur Hass für diesen Staat aufbringen können. Später am Abend wurden wir in die Bar daneben zu einem türkischen Songwriter eingeladen. Obwohl wir kein Wort verstanden, dachten wir, dass die Zuschauer, die leicht angeheitert ausgelassen umher sprangen doch ein Zeichen dafür sind, dass die junge Generation wieder bessere Zeiten für dieses Land eintreten lassen wird.
Etwas später kamen wir dann am nächsten Morgen aus dem Bett und stiefelten dann kurz vor 12 Uhr bei drückend schwülen Wetter zum Hafen. Nach etwas Suchen erwarben wir eine IstanbulCard, auf die man dann Geld zum Fahren mit den Öffis aufladen kann. Eine Fahrt über den Bosporus kostet gerade mal 1 € für zwei Personen. Auf der Fahrt genossen wir die frische Brise, die wir bei fast 30 Grad dringend gebrauchen konnte.
Am Sultanahmet angekommen, stellten wir uns gleich bewaffnet mit einem Maiskolben in die Schlange zur Hagia Sophia. Nur 10 Minuten später betraten wir dann den massiven Sakralbau, welcher seit 537 n. Chr. Angriffen und Erdbeben mit ständigen Restaurationsarbeiten trotzt. Erbaut als Kirche wurde der Bau nach der Einnahme Konstantinopels 1453 zunehmend als Moschee umgebaut und wird heute nur noch als Museum genutzt. Auch wenn viele der kostbaren Mosaike der einst christlichen Kirche von den Osmanen überdeckt wurde, sieht man an vielen Stellen neben Kalligraphien und Mihrab plötzlich Maria oder den Erzengel Rafael. Natürlich gibt es noch größere Sakralbauten als die Hagia Sophia, aber wenn man bedenkt, zu welcher Zeit sie entstand, ist die Leichtigkeit der Baustruktur bei dieser Größe doch faszinierend.
Vollkommen ausgehungert nahmen wir dann in einer anliegenden Lokanta (meist ein kantinenähnliches Restaurant mit Hausmannskost) Platz, bestellten Bulgur, Okraschoten, gefüllte Tomaten und Ayran und kühlten erst einmal ein bisschen herunter. Danach wechselten wir über, um in einem Kaffee zwei Teams aus Großbritannien und Kanada zu treffen und ein paar Roadstories auszutauschen. Ausgetauscht wurde auch anschließend die kurze Kleidung gegen züchtige, lange Bein- und Arm- und Kopfkleider, um für die Blaue Moschee vorbereitet zu sein. Wir waren durch den Iran schon daran gewöhnt und so ersparten wir uns, in den geliehenen, von anderen Menschen durchgeschwitzten Kleidern eintreten zu müssen. Sie ist eines der bekanntesten religiösen Gebäude der Welt und erhielt ihren Namen von den blauen Fliesen im Inneren. Vielleicht lag es daran, dass wir durch die umwerfenden Moscheen im Iran schon etwas zu optisch verwöhnt waren, aber umgeworfen hat uns an der Blauen Moschee eher der Geruch nach Füßen als die Pracht des Bauwerkes.
Wieder hinaus entledigten wir uns der überflüssigen Kleidung und fuhren zum „Großen Basar“ weiter, von dem aus wir dann auch noch den „Ägyptischen Basar“ besuchten. Auf einem Gebiet von 300 000 qm wird dort überdacht so ziemlich alles angeboten, was man sich erdenken kann und auch in jeder Preisklasse, die vorstellbar ist. Wir ließen die freundlichen Angebote („Hey, would you like to spend some money in my shop?“) links liegen und beließen es. uns an den vielen, reizüberflutenden Dingen satt zu sehen.
Doch satt waren wir noch nicht und so nötigte ich Christian, mit der Tram in den Stadtteil Besiktas zu fahren, um dort zwei türkische Spezialitäten zu essen. Achtung, für alle mit seichten Magen, diesen Absatz bitte überspringen. Einerseits aßen wir Kokorec, was eigentlich nichts anderes als kleingeschnittener Lammdarm ist, der gegrillt mit Kräutern und Gemüse in einem Sandwich gegessen wird. Andererseits gab es Midye– mit Reis gefüllte Miesmuscheln, die gedämpft wurden und mit einem Spritzer Zitrone gegessen werden (Kleiner Ausschnitt aus dem Reiseführer: „Egal, was du isst, iss auf keinen Fall Muscheln mit Reis im Sommer :D) Beides war auf jeden Fall großartig und führte zu keinerlei bösen Konsequenzen.
Wieder im Bezirk Sultanahmet trafen wir uns mit ein paar anderen Teams (eigentlich war der ganze Laden voll mit Mongol Ralliern) zu ein paar kühlen Efes-Bier. Eine lustiger, multikultureller Abend begann. Halb eins brachen wir dann aber auf, um die letzte Fähre zu schaffen. Nachdem wir von einem besonders aufmerksamen Wachhund erwischt wurden, wie wir zu zweit durch das Drehkreuz der Tram gingen, mussten wir nach dem Aufladen die allerletzte Tram nehmen und kamen gerade noch auf den letzten Drücker an der Fähre an. Wir genossen noch einmal den Ausblick auf die hell beleuchtete Silhouette Istanbuls und ließen uns die noch immer warme Luft um die Nase wehen. Welch erlebnisreiche Tage in dieser riesigen Stadt…Wir kommen wieder!
















Viele liebe Grüße aus Danzig von den Punkers:-) P.S. Wie kann man nur Lammdarm essen? *Würg* Selbst als nicht Vegetarier/Veganer ist das eklig.
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Also Joyce findet es als Fleischesserin auch eklig;-)
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