19.08.2018 – 24.08.2018 Kirgisistan

Nachdem der Weg zur Grenze von Kirgisistan derart nervenaufreibend war, hofften wir nun auf eine schnelle Abwicklung. So einen Grenzübergang wie hier hatten wir jedenfalls noch nie gesehen. Auf über 4000 m Höhe im eisigen Wind thronten ein paar Container. Wir betraten den ersten davon und es fing gleich schon gut an. Wir sollten einen Schein vorlegen, den wir angeblich bei der Einfahrt bekommen haben sollten. Er zeigte uns drei davon. Da weder wir, noch das Pinneberger Team einen solchen Wisch bekommen hatten, wurden wir genötigt, 8 $ „Strafe“ für unsere Versäumnisse zu zahlen. Als er dies mit unseren anderen Daten in sein Büchlein eintrug, fiel uns auf, dass offensichtlich annähernd jeder Ausreisende diese Gebühr für sein selbst erfundenes Formular bezahlt hatte. Werner, der mit Christian Volleyball spielt, schreibt uns oft Geschichten von seinen Osteuropareisen viele Jahre zuvor, von all den komischen Machenschaften der Polizei und der Grenzbeamten damals. Viel hat sich leider in einigen Ländern wohl nicht daran geändert. 

Im nächsten Container mussten wir erneut ins Buch eingetragen werden. Ordnung muss sein. Auf dem Herd köchelte noch die Hammelsuppe, der Grenzbeamte saß sozusagen im Wohnzimmer und weiter hinten sah man einen Raum mit Doppelstockbetten. Wir fragten uns, ob es eine Strafe für tadschikische Soldaten ist, hier an diesem abgeschiedenen Ort sein Arbeits- und Lebensdasein zu fristen. Nachdem Christian aus Versehen den Teppich des Grenzbeamten betreten hatte, um zu ihm zu kommen, war dieser gar nicht mehr gut gelaunt. Trotzdem durften wir unser Auto danach endlich durch den ersten Schlagbaum fahren. Gut, eigentlich mussten wir es schieben, weil es doch noch 5 m hoch ging, aber man will es ja nicht zu genau nehmen. Im dritten Container durften wir dann endlich unsere Stempel abholen. Aber nicht nachdem wir noch einmal 10 Minuten erklären mussten, warum unser GBAO-Visa so anders aussieht. Als ob das jetzt bei der Ausreise noch irgendeine Rolle spielen würde…

Herunter von der Ausreise ging es auf einer der schlimmsten Straßen, die wir je gesehen hatten. Wir waren so froh, dass wir nicht von kirgisischer Seite gekommen waren, denn das Stück wäre ohne 4×4 und mehr PS nicht machbar gewesen. Rund 20 km ging es dann durch bergiges, holpriges Niemandsland, bis wir zur Einreise nach Kirgisistan kamen. 

Nach einem ziemlich unfreundlichen Empfang, war der Hauptgrenzbeamte, der hunderte Sticker von Reisenden an seinem Schrank kleben hatte, dafür umso freundlicher. Nach 1,5 h hatten wir den Grenzübergang bewältigt. 

Ab jetzt würde es, abgesehen von ein paar kleineren Bergpässen bis Osh weniger hoch weiter gehen. Auch Flipper atmete förmlich auf und belohnte sein vorläufiges Ende der harten Quälerei mit einer besseren Performance beim Anfahren. Bis Osh schafften wir es trotzdem nicht mehr vor der Dunkelheit. So entschieden wir uns, in einem Guesthouse in Gültschö zu bleiben. Eine sehr gute Entscheidung, denn die Gastfamilie war mehr als nett und kochte uns sogar noch trotz später Stunde ein mit Nudeln, Reis, Buchweizen, brauner Sauce und Bulette etwas kohlenhydratreiches, aber sehr leckeres Essen. Dazu gab es sogar einen Salat und natürlich obligatorisch tonnenweise schwarzen Tee. Nach 5 Tagen Wildcamping war vor allem die warme Dusche ein Hochgenuss. Wie man auf einmal einfache Dinge schätzen kann. Einen Salat, eine warme Dusche, ein sauberes Bett oder eine saubere Toilette, nach all denen, bei denen man nicht wusste, ob man sich beim Pinkeln vielleicht doch noch gleich Übergeben sollte. 

Am nächsten Tag trennten wir uns von unseren Pinnebergern, weil diese mehr Zeitknappheit als wir hatten und wir in Osh unbedingt noch einmal zum Mechaniker wollten. Dort angekommen, besorgten wir nach etwas Anlaufschwierigkeiten ein paar kirgisische Som und fuhren dann ins Hostel. 

Christian machte sich von dort aus auf den Weg zum Mechaniker. Der erste Mechaniker tippte nach minutenlangen Google Übersetzer-Gesprächen mal wieder auf die Kupplung (die komplett neu ist) und schickte ihn zum zweiten Mechaniker weiter. Die hatten zwar zwei Computer zum Auslesen des Fehlerspeichers, die waren aber ausgerechnet heute kaputt (gestern und morgen bestimmt nicht 😀 ). Mit wenig Hoffnung, in Osh einen Saugrohrdrucksensor für einen Peugeot 206 zu finden, machte sich Christian auf dem Weg zum Autobasar. Den kann man sich so vorstellen, dass in einem Gewirr aus Schiffscontainern verschiedenste Teile für Autos oder LKW´s verhökert werden. Verschiedenste Teile, aber halt keine für französische Autos. Aus lauter Frust nichts Brauchbares kaufen zu können, kam Christian dann zwei Stunden später mit einer brandneuen, ultralauten Hupe an. Nach einer weiteren Stunde war diese installiert und verursacht mir seitdem regelmäßig kleinere Herzinfarkte, wenn Christian diese spontan gegen rücksichtslose Autofahrer, suizidale Fußgänger oder Tiere oder einfach zum Grüßen einsetzt. Am Abend gönnten wir uns in Osh noch ein paar internationale Köstlichkeiten. Von japanischen Sushi, deutschen Würstchen, russischen Mixed Pickles, amerikanischen Burger und  italienischen Spaghetti Bolognese war so ziemlich alles dabei, was mal eine Abwechslung von Brot während der Fahrt oder zentralasiatischen Essen darstellte. Den Abend ließen wir noch mit einem Getränk mit einem Spanier, einem Franzosen, einer Argentinierin und dem sehr netten Besitzer des Hostels ausklingen. 

Am nächsten Tag ging es dann erst nah an der usbekischen Grenze durch Dschalalabad und dann nordöstlich in Richtung Bischkek. Hier waren wir wirklich froh, dass einige Mongol Rally-Teams schon Informationen über die Route geschrieben hatten, weil einige Wege von Osh nach Bishkek wohl einfach irgendwo im Gebirge endeten. So kamen wir aber auf durchaus akzeptablen Straßen gut voran, bis es langsam dunkelte. Wir suchten entlang der Straße nach einem Platz zum Übernachten und fanden ihn etwas abseits der Straße. Über einen reißenden Fluss ging eine Schwindelbrücke und durch ein kleines Gatter fand sich vor einem Felsen ein kleines Stück Gras. Eigentlich war es sogar ein großes Stück Gras, denn wir stellten unser Zelt inmitten wild wachsenden Cannabispflanzen auf. Zum Abendessen gab es dann erstmal eine schöne Portion… Nudeln mit DDR-Tomatensauce, was denkt ihr denn? 😀 Nach einem Bierchen am Lagerfeuer kuschelten wir uns dann in den Schlafsack.

Am nächsten Tag wurden wir gleich als erstes von der Polizei gestoppt. Wir hatten vergessen, das Licht anzuschalten. Dieses Mal konnten wir die „Schtraf“ mal wieder durch dumm tun und beharrlich auf deutsch auf den Verkehrspolizisten einreden abwenden. Weiter nach Bishkek ging es durch gebirgige Steppen. Kirgisistan ist das Land der Pferde und überall sieht man große Herden am Wegesrand oder auf der Straße weiden. Sie liefern den nomadisch in Jurten lebenden Kirgisen Fleisch und Milch, die sie zu „Kymys“, vergorener Stutenmilch, verarbeiten. Regelmäßig stehen am Wegesrand kleine Stände, an denen verschiedenste Milchprodukte verkauft werden. Wir machten da lieber noch einen Bogen, da wir dachten, dass 1,5 l vergorene Stutenmilch nicht so gerade das Beste für unsere immer mal wieder auftretenden Magenprobleme sind.

In Bishkek angekommen, checkten wir ins Hostel ein. Dieses lag nur 100 m vom Supermarkt „Berlin“ entfernt. Warum waren wir eigentlich fast 13.000 km gefahren, wenn Berlin so nah war? Später gingen wir in einem Restaurant mit typisch kirgisischen Speisen essen. Ich folgte der Empfehlung der Kellnerin, „Beshbarmak“ (eine Suppe mit Pferdefleisch und viel Fett) zu nehmen und Christian bestellte sich ein asiatisch angehauchtes Gericht mit Rind und Gemüse. Dazu gab es ein Gläschen vergorener Stutenmilch. Der Geschmack der Stutenmilch und der Suppe war kurz gesagt unheimlich tierisch. Es mag ja sein, dass wir als Westeuropäer nicht mehr gewöhnt sind, dass Fleisch stark nach Tier schmeckt, aber es ist auch schwer, dies auf einmal als lecker zu empfinden. 

Am nächsten Tag entschieden wir uns, noch einen Tag in Bishkek zu bleiben, weil wir doch noch recht wenig von Kirgisistan gesehen hatten. So fuhren wir etwa zwei Stunden östlich, um zuerst das Unesco-Weltkulturerbe „Burana“ zu besichtigen. Dabei handelt es sich um die letzten Überreste einer Zitadelle aus dem 06. Jahrhundert. Dazu gehört ein wiederaufgebauter, 24 m hoher Minarettstumpf aus dem 11. Jahrhundert und ein kleiner Friedhof. Die Grabsteine sind teilweise schon 1500 Jahre alt und zeigen in den Stein eingehauene Totemmasken. Hoffentlich waren die Gesichter jedoch nur künstlerische Freiheit des Steinmetzes, denn sie wirken eher komisch, als real. 

Weiter ging es danach zum Konorchek Canyon. Als wir bemerkten, dass wir schon zu weit gefahren waren, drehten wir auf dem Highway um. Nur, um danach gleich in die nächste Polizeikontrolle zu geraten. Am gleichen Tag erfuhren wir noch, dass Kirgisistan eine der höchsten Dichte an Verkehrspolizisten hat. Eine dieser zig korrupten Blutsauger meinte nun also, wir wären zu schnell gefahren, obwohl nirgendwo ein Schild mit 60 km/h stand, da wir vorher umgedreht waren. Wir sollten die 15 € einfach zahlen, meinte ein Local, der gerade seine Strafe mit der Kreditkarte zahlte. Unfassbar, in einem Land, in dem es schwierig ist, überhaupt einen Visaautomaten zu finden, kann man bei der Polizei mit Kreditkarte bezahlen. Dass wir nicht sofort bereitwillig zahlten, sondern erklärten, dass wir vorher gedreht hatten, machte besonders einen der jüngeren Polizisten richtig rasend. Wie ein wütender Gartenzwerg baute er sich vor uns auf und schrie uns aus seinem Polizei-Kirgisisch-Englisch-Wörterbuch „You violated the law!“ entgegen. Als wir darauf nur meinten „No!“ fuhr er richtig aus der Haut und verwies uns an den Chef weiter. Den konnten wir dann nach einigen Mühen erklären, dass wir vor dem Schild umgedreht waren. Check- Strafe ein weiteres Mal erfolgreich abgewendet. 

Eine Stunde wanderten wir dann im Canyon bergauf, bis sich rote Gesteinsformationen á la Grand Canyon vor uns offenbarten. Nach einem kleinen Snack und ein paar Fotos zog ein Unwetter auf. Jetzt nichts wie heraus aus dem Canyon, denn in eine Springflut wollten wir nun wirklich nicht geraten. 

Wieder im Hostel war ein anderes Team aus einem Deutschen und zwei Kanadiern eingetroffen. Sie hatten sich auf der Fahrt schon durch unangepasste Geschwindigkeit 10 Reifen und beide Domlager zerstört. Wir hofften, dass Flipper genau zuhörte, wie gut wir ihn im Gegensatz zu dem Opel Agila behandelt hatten. Zum Abendessen gab es an diesem Abend auf Wunsch von mir, die ich Fleisch schon gar nicht mehr riechen kann, Sushi und türkische Linsensuppe und für Christian einen asiatischen Salat mit Gurke und Rind und „Fyntyozi“ ein kaltes, asiatisches Nudelgericht. 

Nachdem wir uns am nächsten Morgen im Supermarkt mit leckeren Sachen aus der Frischetheke versorgt hatten, machten wir uns auf dem Weg zur kirgisisch-kasachischen Grenze. Routiniert wie wir mit der mittlerweile 17. Grenze waren, erwarteten wir jetzt wirklich nichts mehr, was uns noch überraschen könnte. Ob wir da wohl falsch lagen?

Fazit Kirgisistan: Alle Pferde- und Naturverrückten – fahrt nach Kirgisistan. Wer gerne schnell fährt, für den ist ein Mietauto nicht die beste Option. Wir haben definitiv nicht genug Zeit in diesem Land verbracht, dass vor allem für Wanderer eine Menge zu bieten hat. Es lohnt sich auf jeden Fall, wiederzukommen. 

 

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Hinunterfahrt von der kirgisischen Grenze
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Schnieke Karre Part I

 

 

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Schnieke Karre Part II

 

cof
Kirgisische Küche – nur echt mit Kalb

 

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Typisch kirgisisches Brot – Sehr lecker, aber schon nach wenigen Stunden nur noch zum Frisbee spielen verwendbar.
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Stau auf der Landstraße- der Reiter trägt einen Kalpak, die typisch kirgisische Kopfbedeckung.
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Suleiman-Too in Osh – der heilige Berg der Kirgisen gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Leider hatten wir nicht genug Zeit, um diese Sehenswürdigkeit in allen Einzelheiten zu studieren.
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Unser grünes Zelt umgeben von anderen grünen Gewächsen…
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Auch wenn das Bild eine andere Sprache spricht- Christian hat nicht von den anderen grünen Gewächsen genascht.

 

 

cof
Tarnung ist Alles!

 

 

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Burana-Turm
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Auf dem Burana-Turm
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Ich und Christian 😀
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Riesenwürgeschlange im Konorchek Canyon
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Konorchek Canyon

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Auf dem Rückweg ins Tal

 

 

 


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