Tatsächlich ging es mal an einer Grenze zur Abwechslung gut voran. Die Beamten sowohl auf kasachischer, als auf russischer Seite waren sehr nett und korrekt und so standen wir nur 1,5 h später zum zweiten Mal auf russischen Boden.
Da wir uns alle nach den drei Nächten Campen mal wieder nach einer Dusche sehnten, fuhren wir im Grenzort Kulunda eine Gastinica an. So ganz wohl dabei war uns nicht, da Grenzstädte irgendwie immer merkwürdig sind, aber die Gastfamilie empfing uns freundlich und fuhr uns sogar mit dem Auto zum angeblich einzigen Restaurant der Stadt (wahrscheinlich eher das einzige, wo sie Provision bekamen). Nachdem man sich durchgefragt hatte, welche 5 Gerichte es von der riesigen Karte tatsächlich am Ende gab, fanden alle zwar nichts besonders wohlschmeckendes, aber wenigstens etwas satt machendes.
Am nächsten Tag ging es im Konvoi mit den Finnen, den Amis und einem niederländisch-malayisischen Team erstmal auf teils Feldwegen, teils gut asphaltierten Landstraßen nach Barnaul. Dort wollten wir eigentlich nur im Supermarkt etwas für die Fahrt und die Vorräte kaufen. In Barnaul setzte sich jedoch auf einmal das amerikanische Team an die Spitze und führte uns alle zu (Klischee erfüllt) McDonalds. Wenigstens gab es dort in der Nähe auch einen Supermarkt, so dass alle am Ende zufrieden waren. Hinter Bijsk schlugen wir auf einem Feld unsere Zelte auf und heizten ein Lagerfeuer an. Es stellte sich heraus, dass Paul und seine Frau Avton aus dem niederländisch-malayischen Team beide Köche sind. Jetzt machten wir das, was andere Instantnudelteams gewöhnlich immer bei uns machen, nur weil wir „richtiges“ Essen kochen- etwas neidvoll zugucken, wie Paul Lammrippchen marinierte, Brötchen mit Gemüse füllte und beides auf dem Feuer zubereitete. Nicht wirklich unglücklich waren wir darüber, dass er für eine ganze Fußballmannschaft kochte und wir uns bedienen konnten. Zum Nachtisch gab es noch Glutkartoffeln mit Butter und Salz. Nach einer ordentlichen Portion Wodka zum Nachspülen rollten wir uns dann alle ins Zelt.
Nach einer halben Stunde Fahrt am nächsten Morgen erreichten wir die ersten Ausläufer des russischen Altaigebirges. Wir waren gleichzeitig fasziniert und traurig. Fasziniert, weil die Natur hier unbeschreiblich ist. Weit ausgedehnte Kiefernwälder, grüne Wiesen, Berge, glasklare leuchtend blaue Flüsse. Wenn die kleinen russischen Dörfchen mit ihren typischen Holzhäusern nicht eine andere Sprache sprechen würden, man würde denken, man wäre in einem Werbefilm für Kanada gelandet. Traurig waren wir, weil wir hier nicht länger Zeit eingeplant hatten. Klar hatten wir schon mal etwas vom Altai gehört und auch gesehen, aber nie hätten wir uns diese Schönheit erahnen können. Hier scheint die Zeit noch still zu stehen. Mir kamen besonders die alten, russischen Märchenfilme in den Sinn, die wir früher ab und zu geguckt haben. Und siehe da, es fand sich am Straßenrand sogar ein Baba-Jaga-Haus, natürlich mit Hahnenfüßen. Wir beschlossen bei der Fahrt durch das Altai, dass wir hier unbedingt noch einmal herkommen müssen. Leider lassen uns die zwei Monate Zeitbeschränkung der Rally oft nicht noch größere Unternehmungen zu. Man stößt an seine Grenzen, wenn man in dieser Zeit „alles“ sehen will. Für uns geht es auch gar nicht darum, denn sonst würden wir nur ständig unzufrieden sein, was man verpasst. Wir versuchen, uns möglichst gut über das Land zu informieren, ein paar Worte sprechen zu können und vor allem einen ersten Eindruck zu gewinnen. Auch wenn man in jedem Alter reisen kann, haben wir doch den Vorteil, dass wir noch so viel Zeit haben, auch erneut in ein Land zu reisen, um einen tieferen Einblick zu bekommen.
Im Dunkeln erst kamen wir an diesem Tag an der Grenze zur Mongolei an. Ein Durchqueren am gleichen Tag war unmöglich, denn die Grenze ist nur bis 18 Uhr geöffnet. So standen wir also an der Tankstelle um 21 Uhr in Eiseskälte und Wind und beratschlagten. Während die Finnen und die Amerikaner unbedingt die Nacht in der Warteschlange an der Grenze im Auto verbringen wollten, waren wir einfach nur hungrig, kaputt und mittlerweile auch echt durchgefroren. Da kam Connor aus einem britischen Team vorbei und erzählte, dass er und sein Vater im Hostel gegenüber schlafen- mit Warmwasser und sauberen Betten. Auch die Niederländer ließen sich das nicht zweimal sagen. Wir waren sehr traurig darüber, dass Elina und Herrmann auf ihrem Plan bestanden, aber wir verstanden sie auch. Sie hatten immer Glück an der Grenze gehabt und nie länger als zwei Stunden gewartet. Uns war es mittlerweile mit Verlaub gesagt scheißegal, ob wir den ganzen nächsten Tag warten müssten, aber nach einem Tag Fahren ohne größere Pausen wollten wir nicht bei Minusgraden kochen und im Auto pennen. Also trennten wir uns. Bei Nudeln mit Pesto im Hostel, ein paar Bier mit Connor, Mike (Connors Vater) und Fernando (einem spanischen Motorradfahrer) und spätestens nach einer warmen Dusche im warmen Bett mit Gedanken an die zwei anderen Teams, die nicht mal einen Kilometer weiter wahrscheinlich gerade wie Espenlaub zitterten, wussten wir, dass wir für uns die richtige Entscheidung getroffen hatten. Doch ob wir am nächsten Tag an der Grenze immer noch so froh sein würden? Egal, erst einmal eine Nacht darüber schlafen.






