01.11. – 24.11.2018 – Vietnam Teil III – Zusammen mit dem Motorrad von Hanoi nach Hoi An

Nachdem Anika und ich uns in Hanoi wiedergetroffen hatten, verbrachten wir hier die nächsten fünf Tage. Wir organisierten, planten, checkten Flüge und machten einen weiteren Schlachtplan. Planmäßig wollten wir uns in Hanoi um unser Chinavisum kümmern. Das durchaus kalte Wetter dort, der bürokratische Aufwand das Visum zu organisieren und die Tatsache, dass ich gerade erst 70 US-Dollar für meine Visumsverlängerung für Vietnam bezahlt hatte, ließen uns den Plan umwerfen. Stattdessen einigten wir uns darauf, Vietnam ein bisschen intensiver zu bereisen. 

Zunächst wollten wir Hanoi genauer unter die Lupe nehmen und besichtigten das Hoa Lo Prison, ein Gefängnis, dass einst von den französischen Kolonialherren errichtet worden ist. Hier wurden während der Kolonialzeit neben Dieben und anderen Verbrechern vor allem Unabhängigkeitskämpfer inhaftiert. Während des Vietnamkrieges wurden hier gefangene US-Soldaten untergebracht. Die Vietnamesen rühmen sich damit, dass dieses Gefängnis in dieser Zeit auch „Hanoi Hilton“ genannt wurde, weil den Amerikanern zum Teil große Freiheiten gewährt wurden. Dass dieses Gefängnis jedoch alles andere, als ein Wellnesshotel war, verschweigt die vietnamesische Geschichtsschreibung. Der ehemalige US-Präsidentschaftskandidat John McCain wurde nach einem Flugzeugabsturz hier eingesperrt. Seine durch den Absturz gebrochenen Knochen wurden nur rudimentär versorgt, er erfuhr Folter und zweijährige Einzelhaft. Am Nachmittag ließen wir uns dann beinahe von einem Zug überfahren, denn in Hanoi gibt es ein Wohnviertel, durch das bis zu zwei Mal am Tag ein Zug poltert. Die Häuser sind so dicht an die Gleise heran gebaut, dass die Tische und Stühle der Cafés, die zuvor bis an die Gleise heran gestellt wurden, kurz vor 15:30 Uhr beiseitegestellt werden müssen. Wir drückten uns dicht in eine Türzarge, während die letzten lebensmüden fotografierenden Touristen von den vietnamesischen Anwohnern und Cafébesitzern zur Seite gezogen wurden.

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Train Street in Hanoi

Am nächsten Morgen wollten wir Onkel Ho einen Besuch abstatten. Der Leichnam der vietnamesischen Revolutionsikone schlechthin ist immer vormittags in einem eigenen Mausoleum im Ho-Chi-Minh-Park zu besichtigen. Die Schlange, um die Leiche mit dem bekannten Ziegenbart zu sehen, war schier endlos und wir standen ungefähr anderthalb Stunden an. Wobei stehen nicht der richtige Begriff ist, denn wir schritten zwar ganz, ganz, ganz langsam, aber beständig voran. Anika erinnerte die Leichenschau an das Lenin-Mausoleum, denn auch hier war Stehenbleiben, Fotografieren oder lautes Sprechen verboten und man schob sich in gleichbleibender Geschwindigkeit am Vater der Nation vorbei. Sein Gesicht wirkte wächsern aber freundlich, seine Hände lagen gefaltet in seinem durch ein Tuch bedeckten Schoß.

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Ho-Chi-Minh-Mausoleum. Ein bisschen wie beim Lenin, nur anders…

Nachdem wir Anikas Hunger-Zombiemodus durch ein Banh Mi, ein vietnamesisches Sandwich vom Straßenstand halbwegs abgeschaltet hatten, machten wir uns auf, um Helme zu kaufen, denn durch meinen Trip auf dem Ha-Giang-Loop war ich total besessen von der Idee, mit einem Motorrad das Land zu bereisen und bis Ho-Chi-Minh-City zu fahren. Angesichts der Unfallstatistiken in Vietnam war Anika zunächst gar nicht begeistert von diesem Vorschlag. Der Verkehr in Vietnam ist wirklich haarsträubend und immer wieder sieht man Touristen mit gebrochenen Armen oder Gips-Füßen.  Dennoch fand sie Gefallen an der Idee und unter der Prämisse, das ganze so sicher wie nur irgendwie möglich durchzuziehen, willigte sie ein. Die Mission Helme aufzutreiben, gestaltete sich schwierig denn obwohl jeder Vietnamese mit einem Helm fährt, tragen sie nur dünne häufig nicht geschlossene Plastikschalen, die gerade die Schädeldecke verhüllen. Schützen tun diese in vielfältigen Designs erhältlichen Schalen wohl nicht, weswegen wir direkte Helmet Shops aufsuchten. Ich wurde schnell fündig und für nur 30 US-Dollar kaufte ich einen „originalen“ Fox Motocrosshelm. Ich entschied mich dagegen, eine passende Brille zu kaufen, wie man sie häufig auch zum Skifahren trägt, worauf ich später noch einmal zurückkommen werde. Für Anikas erbsengroßen Kopf einen passenden Helm zu finden, war allerdings nahezu unmöglich. Nachdem wir drei Shops abgeklappert hatten, fanden wir lediglich einen Helm, der ihr passte und nur schlappe 180€ kostete. Ratlos und ohne Helm für Anika zogen wir für diesen Tag von dannen. Am Abend kam dann Hoffis Freundin aus Dresden in Hanoi an. Bei guten Essen und Trinken feierten wir sogleich das Wiedersehen.

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Resi hat nicht aufgegessen, womit auch das kommende schlechte Wetter zu erklären ist…

Die meisten Backpacker, die auf dem motorisierten Zweirad das Land erkunden wollen, kaufen sich ein Motorrad an einem der Hauptknotenpunkten und verkaufen es später wieder an einem anderen Ort. Am beliebtesten sind die Honda Wins, die es in einer 110ccm und 125 ccm Version und mit vietnamesischer oder chinesischer Bauteil-Ausstattung gibt. Die chinesischen Kopien sind schon für 200-250 US-Dollar zu bekommen, haben allerdings einen sehr schlechten Ruf. Ich erkundigte mich also ein wenig, schaute mir Bikes an und fuhr eine Honda Win zur Probe, bei der eigentlich mehr kaputt war, als das funktionierte. Schließlich kam ich am Shop von Style-Motorbikes vorbei, die brandneue Honda Wins, aber auch größere Maschinen vermieten. Ich kam schnell mit einem Freiburger ins Gespräch, der zuvor mit einer Honda XR150L durchs Land gefahren ist. Er überzeugte mich von den Vorteilen einer gemieteten Maschine: Zum Ersten sind die Bikes alle nur ein oder zwei Jahre alt und durch die Shops gut gepflegt. Das bedeutet, dass die Motorräder nicht nur sicherer, sondern auch weniger reparaturanfällig sind.  Zum Zweiten ist es möglich, das Motorrad in Hanoi zu mieten und es in Hoi An oder Ho-Chi-Minh-City (HCMC) abzugeben. Drittens kann man jederzeit die Jungs vom Shop anrufen, falls man unterwegs doch technischen Support braucht und einen Mechaniker finden muss. Viertens war es für uns möglich, einen Teil unseres Gepäcks, den wir nicht benötigen würden, wie beispielsweise unsere Daunenschlafsäcke, für wenig Geld nach HCMC zu schicken. Fünftens würde uns das Reparieren von gekauften Schrottbikes ebenfalls Geld und Nerven kosten und wir müssten die gekauften Wins dann mit Verlust weiterverkaufen, was wiederum Zeit und Nerven kosten würde. Und sechstens und vielleicht am wichtigsten: Konnte man hier größere Maschinen mieten, die nicht nur mehr Fahrspaß versprachen, sondern auch mehr Sicherheit. Denn während die Wins mit dünnen, fahrradartigen Reifen, Trommelbremsen und eher günstiger Fahrwerkfederung daherkommen, hatten die großen Bikes immerhin vorn Scheibenbremsen, besserer Bereifung und ordentliche Federungen. Nachdem wir am 05.11. Anikas Helm-Drama mit einem passenden, 30-Euro-Helm glücklich beenden konnten, trafen wir an diesem Tag noch alle Vorbereitungen für unsere Tour. Wir kauften Packsäcke, sortierten unser Gepäck aus, erledigten den Papierkram, der für die Miete der Maschinen notwendig war und holten sie schließlich kurz nach 17:00 ab. Wir verabschiedeten uns von Resi, die wir planten später wieder zu sehen und stürzten uns ins Verkehrschaos von Hanoi. Anfangs etwas wacklig schafften wir es ohne Zwischenfälle aus Hanoi heraus. Am ersten Tag legten wir circa 140Km, am darauffolgenden 150Km immer in nördliche Richtung zurück.

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Kurz vor der Abfahrt in Hanoi
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Unsere Lieblings-Streetfood-Straße in Hanoi.

Spätestens ab dem zweiten Fahrtag war ich extrem froh, dass Anika meinen Vorschlag zu zweit auf der 150er XR zu fahren, abgelehnt und auf ein eigenes Motorrad bestanden hatte. Meine Befürchtung, dass ich extrem langsam fahren, ständig auf sie warten und jeglichen Fahrspaß einbüßen müsste, wurde in alle Winde zerstreut, denn sie machte das echt fantastisch und das, obwohl sie Jahre zuvor nur wenige Kilometer mit ihrer Simson gefahren war und dabei nicht unbedingt den sichersten Verkehrsteilnehmer darstellte.

sdr
Macht sich nach dreimal im Stand Motorrad umfallen lassen doch ganz okay, die Anika 😀

Am dritten Tag legten wir 190 Kilometer zurück und besichtigten den Ba Bé-Nationalpark, der neben umwerfender Natur auch wundervolle Streckenabschnitte für uns bereithielt. Bereits zum dritten Mal stellten wir am Ende des Tages fest, dass wir uns abseits der ausgetretenen Touristenpfade bewegten. Die in den angesteuerten Unterkünften befindlichen Matratzen waren allesamt unglaublich hart. Zwar waren sie aus eine Art Schaumstoff, der sich allerdings nur circa 2cm eindrücken ließ und mehr als ungewohnt für europäische Rücken ist. Das Preis-Leistungsverhältnis ändert sich auch hier frappierend. Während man in den Touristen-Hotspots für 12 Euro ein außergewöhnlich schickes Zimmerchen bekommt, sind hier die Laken maximal rudimentär sauber, oft stinkt es nach Zigarettenrauch oder Schimmel oder beiden und der Anblick von überall im Zimmer verteilten gekauten Kaugummis der Vorbewohner trägt jetzt auch nicht gerade zum Wohlbefinden bei. Die Leute am Straßenrand, egal ob jung oder alt, die uns freundlich zuwinkten und immer wieder „Hello!“ riefen, machten jedoch die ein oder andere unkomfortable Nacht wieder wett.

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Auf dem Weg in den Ba-Be-Nationalpark
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Vietnamesische Frauen breiten Garnelen und Fische zum Trocknen aus. Diese dienen hier zum Herstellen der typischen Fischsauce, zum Snacken und als Zutat zu Gerichten.
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Im Ba Be Nationalpark
dav
Auch kleine Kätzchen sind mal müde….
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Im Norden Vietnams
cof
Das passiert, wenn man bei Einheimischen vier Bananen kaufen will. Mit etlichen Lachen und Zeichensprache hatten wir dann doch die ganze Staude für wenig Geld erworben.

Den nächsten Tag standen wir früh auf, denn wir mussten bis spätestens 15:00 circa 185km zurückgelegt haben. Rechtzeitig fuhren wir über die Brücke zur Insel Dao Tuan Chau, von der wir mit der Fähre auf die Insel Cat Ba übersetzten. Hier trafen wir die Freunde von Anika aus Dresden wieder und zu Resi hatte sich jetzt auch deren Freund Hoffi gesellt, der zuvor mit Anika bereits einen Teil des Annapurna Curcuit in Nepal und Hongkong bestritten hatte. Wir feierten ein bisschen das Wiedersehen, und planten unseren Ausflug in die Ha Long Bucht für den nächsten Tag. Am Ende beschlossen wir, das Angebot des Hostels zu nutzen und Resi reservierte per Telefon für uns vier Plätze für eine Bootstour.

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Unsere Motorräder auf der Fähre nach Cat Ba. Die ersten Kalksteinfelsen der Ha Long Bucht sind sichtbar.
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Herr Lehrer und Frau Kindergärtnerin müssen selbst im Urlaub vietnamesische Kinder bespaßen.

Am Morgen des 10.11.2018 ging es für uns früh raus, denn um 08:00 Uhr wollten wir abgeholt werden. Um 10 vor Acht fragten wir dann noch einmal an der Rezeption nach, wie das nun genau ablaufen und wer uns nun zum Boot bringen würde. Die Rezeptionistin schaute verdutzt und ließ sich deutlich anmerken, dass sie keine Ahnung hatte, wovon wir redeten. Es stellte sich heraus, dass die Stimme am Telefon die am Vorabend so eifrig „yes“ gesagt hatte, die Schwester der Rezeptionistin war und zwar ausgerichtet hatte, dass wir eine  Nacht länger bleiben, nicht jedoch dass wir auch die Bootstour machen wollten. Die Rezeptionistin gewann ihre Souveränität zurück und organisierte uns kurzer Hand einen last-minute Platz auf einem Boot. Wenig später saßen wir mit schätzungsweise 20 anderen Touristen im selben Boot und das meine ich nicht nur im sprichwörtlichen Sinne. Wir tuckerten durch die Sandsteinformationen vor der Küste Cat Bas und legten nach circa einer Stunde Fahrtzeit an einem Bootssteg an. Wir stiegen in Kayaks und hatten eine Stunde Zeit, die Bucht mit ihren Felsen und Höhlen selbst zu durch paddeln. Wieder an Bord gab es ein Mittagsmenü, bei dem sich immer sechs bis sieben Leute einen Tisch und die darauf befindlichen Speisen teilten. Da die übrigen Tische so schlecht aufaßen und wir Angst vor der Rache des Wettergottes hatten, kümmerten wir uns netterweise auch noch um die nicht aufgegessenen Reste der Nachbartische. Gedankt haben die Anderen uns unsere Aufopferungsbereitschaft nicht. Nachdem das Boot wieder abgelegt und sich weitere vierzig Minuten durch die tausenden Mini-Inseln aus Sandstein schlängelte, machten wir einen kurzen Badestopp. Während Anika als einzige aus unserer Gruppe von Bord ging, zogen die Dresdner und ich das innerliche Hopfenbräu-Bad vor. Im Anschluss fuhren wir wieder circa eine Stunde mit dem Boot weiter und gingen dann kurz vor der Monkey-Island vor Anker. Ein kleiner Kahn brachte uns zum Ufer der Affeninsel und wir verbrachten einige Zeit im Café am Strand. Die auf der Insel lebenden Affen haben jegliche Scheu vor dem Menschen verloren und umzingelten alle Touristen, die etwas Nahrhaftes bei sich hatten. Für die Besitzer des Cafés, die mit Zwillen ausgerüstet waren, um die Affen fern zu halten, sind die Tierchen eine sichere Einnahmequelle und eine Last zugleich, denn sie turnen fröhlich über die Terrasse und greifen alles, was sie zwischen ihre kleinen, gierigen Finger bekommen. So war es für viele Touristen möglich, Fotos von biertrinkenden Primaten zu machen, während wir uns nur kopfschüttelnd fragten, wer die größeren Affen waren. Nach dieser letzten „Attraktion“ ging es für uns zurück zum Hafen von Cat Ba. Für den Tag auf dem Boot haben wir ungefähr 14€ pro Person bezahlt, was ein wirklich fairer Preis für das Gebotene war, auch wenn wir normalerweise nicht auf solche durchgetakteten Ausflüge für den klassischen Pauschaltouristen stehen. Am Abend gönnte ich mir mit Anika und Resi noch ein bisschen Entspannung in einem der örtlichen Massagesalons. Die Damen entschieden sich für eine Fuß- und ich für eine Rückenmassage, was zu allerlei Gelächter führte. Dass man sich bei einer Fußmassage ganz normal und aufrecht in die Massagesessel setze muss ist jedem klar, doch ich verzweifelte beim Versuch mich für die Rückenmassage auf besagtem Sessel richtig in Position zu bringen, was nicht nur bei den Mädels, sondern auch bei den Vietnamesen zu einiger Erheiterung führte. Am Ende wurden jedenfalls auch in dem kleinen Hinterzimmer die Lachmuskeln gut entspannt.

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Ha Long Bucht
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Badestelle in der Ha Long Bucht
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Für viele Touristen sehr lustig, für uns eher traurig. Durch Unachtsamkeit vieler Touris werden auf der Monkey Island Affen zu Alkoholikern und Zuckerjunkies.
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Nasses Äffchen. Wenn man nicht wüsste, dass sie ganz schön gemein werden können, könnte man sie fast ein bisschen niedlich finden.

Am 11.11. verabschiedeten wir uns von den Dresdnern und nahmen Kurs auf Ninh Binh. Die Fahrt dorthin führte uns über die berüchtigten und todbringenden Highways Vietnams. Wie schon bereits erwähnt, ist der Verkehr in Vietnam wirklich ziemlich gefährlich und immer wieder hatte ich den Eindruck, den Vietnamesen geht es nicht darum, sicher von A nach B zu kommen, sondern sich oder andere umzubringen. Bei einem Stopp an einer Ampel roch ich wieder einmal verbranntes Plastik, was für Vietnamesen häufig ein adäquater Weg ist, ihren Hausmüll los zu werden. Doch als mich Anika ein paar hundert Meter später zum Anhalten zwang, weil ich einige unserer Sticker verlor, stellte ich fest, dass ich dieses Mal de Übeltäter war. Meine Gürteltasche war zu nah an den Auspuff gerutscht und wurde flambiert. Ich büßte drei Gopro-Akkus, meine Kopfhörer, ein paar Sticker und meine Gürteltasche ein. Meinen Pass der sich normalerweise auch in dieser Tasche befindet, hatte ich am Morgen ausnahmsweise in meinen Rucksack gesteckt – Glück im Unglück. Der nächste Tag begann dann wieder mit den mittlerweile zur Routine gewordenen Handgriffen: Rucksack ein- und verpacken, die Backpacks mit Gummiexpandern auf den Maschinen verschnüren, Handy einstellen, Protektoren anlegen, Helm auf und los. Auf dem Weg schauten wir uns noch den Hang-Mua-Felsentempel in der Nähe von Ninh Binh an. Am Nachmittag erreichten wir dann endlich die von mir angepeilte Strecke: Die QL15 ist als Ho-Chi-Minh Trail bekannt, auch wenn die Streckenführung erheblich von dem im Vietnamkrieg benutzten Ho-Chi-Minh-Trail abweicht, der sich auch zu großen Teilen auf laotischen und kambodschanischen Terrain langschlängelt. Am nächsten Tag folgten wir weiter der QL15, die sich bisher super fahren ließ und auf der deutlich weniger Betriebsamkeit und Gefahr durch Trucks und Busse herrschte, als auf den Highways. Gegen Nachmittag kamen wir in heftigen Regen und entgegen Anikas Maxime, nicht bei Regen zu fahren, fuhren wir weiter, bis wir ein kleines vietnamesischen Städtchen erreichten, dessen Einwohner wohl noch nie Langnasen gesehen hatten. Besonders schön war es hier nicht aber Weiterfahren kam nicht in Frage, denn unser Tageskilometerzähler zeigte bereits 260km an und Aussicht auf eine schönere Stadt bestand ohnehin nicht.

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Drachenstatue am Hang Mua Felsentempel

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Blick ins Tal vom Felsentempel

dsc03217Da wir unsere Unterkünfte häufig über Booking.com buchen, ignoriere ich häufig die Mails, die ich von dieser Internetplattform erhalte. Als ich dann plötzlich zwei Anrufe einer vietnamesischen Nummer auf meinem Telefon hatte, wunderte ich mich doch ein wenig und sah doch mal im Postfach genauer nach. Die unbekannte Nummer war die Unterkunft aus Ninh Binh, die mir schon per Mail versucht hatte mitzuteilen, dass ich meinen Reisepass im Hotel vergessen hatte: FUCK! Und nun? Zurückfahren würde bedeuten, dass ich vier Tage einbüßen würde oder aber ich vertraue auf die vietnamesische Post. Da die Frau aus der Unterkunft in Ninh Binh allerdings äußerst schlecht englisch konnte und ich gar nicht wusste, wo ich mir meinen Pass hinschicken lassen sollte, rief ich die Jungs von der Motorradvermietung an. Ich stellte den Kontakt her und die Vermieter regelten, dass mein Pass nach Hoi-An in die dortige Geschäftsstelle geschickt wird. Am nächsten Morgen gönnten wir den Bikes noch einen Ölwechsel und ließen unsere Ketten straffen. Wir fuhren weiter entlang des Ho-Chi-Minh-Trails und sahen zum ersten Mal die umwerfende Natur, die ich mir von dieser Strecke versprach. Der Pass schraubte sich nach dem Mittag in die Berge hinauf und jeder Meter der Strecke war Fahrspaß pur. Wir peilten Phong Nha an, ein Nationalpark, der 2003 Weltnaturerbe wurde und in dem man unter anderem zahlreiche Höhlen besichtigen kann. In diesem verschlafenen Städtchen wurden in den letzten Jahren mehr als 150 neue Gästehäuser, Hotels und Hostels gebaut, wie uns der Besitzer unseres Hostels erzählte. Die Touristen, die in all diesen Betten schlafen sollen, waren zum Glück nicht anzutreffen. Wir entschieden hier einen Tag länger zu bleiben und erkundeten am späten Nachmittag den Nationalpark mit dem Motorrad. Die Landschaften, die wir zu sehen bekamen, waren umwerfend und einfach nicht in Bildern einzufangen. Es war schlicht atemberaubend. Am nächsten Tag steuerten wir eine der Höhlen an und zogen Badeklamotten, Schwimmweste und Klettergurt an, denn der Start der Höhlenerkundung begann damit, sich mit einer Rolle an einem Stahlseil durch die Lüfte zu schwingen. Die Erkundung der Dark-Cave war für mich Klaustrophobiker dann eine kleine Herausforderung. Allerdings drehte unsere Gruppe nach einem ausgedehnten Schlammbad in der Höhle um, bevor es mir allzu unbehaglich werden konnte, auch wenn Anika gern noch weiter in den Felsen hineingestiegen wäre. Am Nachmittag war ich dann wieder mehr in meinem Element: Anika hatte vorgeschlagen, zur Bong Lai Eco Farm zu fahren, weil es dort irgendein super leckeres gegrilltes Etwas geben sollte. Als der Weg dann rechts abging, wurde der Untergrund immer unebener und die Piste bestand abwechselnd aus Schlamm- , Schotter und staubtrockenen Erd- oder Sandpiste. Für mich, der gerne mit Fahrrad oder motorisierten Zweirad über solche Strecken fährt und darin Erfahrung hat, war das das reinste Vergnügen. Anika hingegen schwitzte Blut und Wasser, um sich und ihre Maschine irgendwie halbwegs unbeschadet und aufrecht über die Strecke zu zuckeln. Wir hielten letztlich zwei Kilometer vor dem eigentlichen Ziel und aßen einen Snack, tranken Kaffee und Reisschnaps. Letztere sorgte dafür, dass Anika etwas gelöster und weniger ängstlich wurde und den Weg zurück viel besser bewältigte und ich glaubte sogar so etwas wie Lächeln auf ihren Lippen erkennen zu können.

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Schaukeln und Reisschnaps vertreibt die Angst vorm Offroad-Fahren mit ungeeigneten Motorrädern.

Den nächsten Tag ging es wieder über den Ho-Chi-Minh-Trail durch immer entlegenere Gegenden mit noch faszinierenderen Panoramen. Wir meisterten tausende von Serpentinen und auf einem Teilstück von über 70km kam uns kein einziges anders Gefährt entgegen. Auf über 230 Km schraubten wir uns Meter für Meter, Kurve für Kurve immer näher an Khe Sanh und damit an die Demilitarisierte Zone (DMZ) heran. Dieses Teilstück kann ich mit Fug und Recht im Nachhinein als schönste Motorradstrecke in Vietnam bezeichnen, knapp gefolgt vom Teilen des Ha Giang Loops.

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Ho-Chi-Minh-Trail im Phong Na Nationalpark
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Phong Na Nationalpark. Zum Glück (noch) nicht vollkommen überlaufen.

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Christian in seinem Element.
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Leere Straßen auf dem Ho Chi Minh Trail

img_20181116_154648Den 17. und 18. November verbrachten wir in der DMZ, also der ehemaligen Grenze zwischen Nord- und Südvietnam entlang des 17. Breitengrades. Die DMZ ist eigentlich ein Überbleibsel aus dem Indochinakrieg (1946-1954), in dem die Nordvietnamesen unter Ho Chi Minh um deren Unabhängigkeit und Freiheit von der französischen Kolonialmacht kämpften. Diese Zone 5 km nördlich und 5 km südlich des Ben Hai Flusses bildete dann die Grenze zwischen dem sozialistischen Norden und dem vom Westen unterstützten Südvietnam.Die Bestrebungen Nordvietnams, ihr Land unter sozialistischer Führung wieder zu einen und die Angst der Amerikaner, dass Südvietnam nur der erste kommunistische Dominostein sein wird, der fallen könnte, führten 1964 letztlich zum Vietnamkrieg unter Einmischung der USA. Ironischerweise fanden während des Vietnamkrieges in der DMZ, in der schweres Kriegsgerät eigentlich verboten war, die schwersten Materialschlachten mit den höchsten Verlusten auf beiden Seiten statt.  In Khe Sanh besuchten wir zunächst den ehemaligen amerikanischen Luftwaffenstützpunkt, an dem man noch amerikanische Flugzeuge und Hubschrauber, sowie eine kleine Ausstellung besuchen kann. Danach führte unser Weg zum Rockpile, einen Felsen, den die Amerikaner als Aussichtspunkt nutzten und der einzig per Helikopter zu erreichen war. Wir schliefen in Dong ha und fuhren am nächsten Tag weiter in nordöstliche Richtung zum Gedenkfriedhof für die vietnamesischen Soldaten. Über 10.000 junge Männer und auch wenige Frauen liegen hier begraben, die unter den Vietnamesen als Märtyrer und Helden verehrt werden. An vielen Gräbern stehen Namen, Geburts- und Sterbedatum aber einige der Grabsteine sind auch unbeschrieben und stehen symbolisch für die unzähligen verschollenen, verschütteten und vermissten Soldaten. Wir fuhren weiter zu den Vinh Moc Tunneln, die während des Krieges von den Familien dieser Gegend angelegt worden. Den Menschen war das Leben oberhalb der Erdoberfläche nicht mehr möglich, weil in der DMZ so viele Bomben und Granaten niedergingen, dass das Gebiet heute noch von Kratern und Bombentrichtern übersäht ist. Die 94 Familien bauten sich eine unterirdische Stadt mit Schule, Krankenstation und Wohnungen und 17 Kinder erblickten hier in der Dunkelheit der Tunnel das Licht der Welt. Schätzungsweise 300 Menschen lebten so im Untergrund und versuchten von hier aus auch militärisch den Feind zu schwächen.

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Schützengräben im amerikanischen Luftwaffenstützpunkt

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Der Rock Pile auf der DMZ. Ein strategisch wichtiger Observationspunkt, von dem aus die Amerikaner das umliegende Gebiet kontrollierten.
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Ein Teil der Gräber der 1,3 Mio. verstorbenen Soldaten im Vietnamkrieg. Insgesamt fielen nach Schätzungen bis zu 5 Mio. Vietnamesen diesem sinnlosen Krieg zum Opfer.
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Abendstimmung am Ben Hai River, damals die Grenze zwischen Süd- und Nordvietnam

Am Nachmittag fuhren wir weiter nach Hue, der alten Kaiserstadt und mussten wieder über den Highway. An diesem Tag sahen wir einen unglaublich schrecklichen Unfall, den ich hier nicht weiter beschreiben möchte, weil er uns ohnehin noch viel zu lange im Gedächtnis bleiben wird. Die Zitadelle in Hue besichtigten wir am nächsten Tag nicht mit der eingehenden Gründlichkeit, die von zwei Geschichtsstudenten zu erwarten wäre, aber wir wollten am gleichen Tag noch in Da Nang ankommen und auf keinen Fall in die Dunkelheit kommen. Deswegen erledigten wir die routinierten Handgriffe und sattelten die Böcke. Die Strecke führte uns über Dorfstraßen, Highways und den sagenumwobenen Hai van Pass, der im Vergleich zum Norden Vietnams oder zu oben genannten Stück der QL15 leider total abstinkt. Den Verkehr während der Rush Hour in Da Nang empfand ich als schlimmer, als den in Hanoi. Am Abend pflegten wir thüringisches Brauchtum und gingen in ein Restaurant, in dem man sein Essen selbst grillen kann. Dass wir tatsächlich alles selbst grillen wollten, konnten die Kellner nicht so richtig glauben und immer wieder versuchten sie mir das Grillzepter zu entreißen und mich von der thüringischen Traditionspflege abzuhalten.

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Zitadelle in Hue
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Gut erhalten ist sie, die Zitadelle. Leider fehlen Hinweisschilder, um die Zusammenhänge und einzelnen Gebäude besser zu verstehen.

Eine Sehenswürdigkeit in Da Nang und dessen Umland ist die goldene Brücke, die auf den symbolischen Händen Gottes verläuft und seit dem Juni 2018 eine Attraktion des Ba Na Erlebnisparks ist. Zu besagter Brücke führt eine Straße den Berg hinauf, die laut meinem Plan mit dem Motorrad keine Herausforderung darstellen und am nächsten Tag besichtigt werden sollte. Doch als wir am Fuße des Berges ankamen, wurden wir von einem Security-Mitarbeiter eines Golfclubs abgewiesen. Wir sollten doch die Seilbahn nehmen. Via Google-Maps machte ich einen alternativen Weg aus, der laut Karte hinter dem Golfclub langführen sollte. Wir fuhren und fuhren und der Weg wurde immer schmaler und holpriger und endete in einer üblen Schlammpiste. Stück für Stück tasteten wir uns voran und durchquerten Schlammlöcher und riesige Pfützen. Da Anikas Maschine wenig Bodenfreiheit und nur Straßenprofil aufwies, kamen wir an einem Punkt, an dem selbst ich ihre Maschine nicht mehr weiterfahren konnte, also drehten wir ziemlich dehydriert und reichlich frustriert um. Ein weiterer Blick auf die Karte offenbarte noch einen weiteren Weg hoch zur Brücke. Als wir die Einfahrt zu dem Pfad gefunden hatten, verliefen die ersten 300 Meter wie am Schnürchen. Dann standen wir plötzlich vor einem Schlagbaum mit 5 Security-Arbeitern besagten Golfclubs, die uns erneut den Weg versperrten. Wir griffen ganz tief in unsere Trickkiste und versuchten wirklich alles, um auf die „Autoritäten“ einzuwirken und uns passieren zu lassen. Anika verklickerte ihnen sogar, sie können seit einem traumatischen Erlebnis keine Seilbahn mehr fahren, aber wolle die Brücke so gern sehen und auf jedes „NO!“ fragte sie immer wieder „Aber warum?“. Da half alles nichts, sie ließen uns nicht durch und da wir den halben Tag damit verbracht hatten, diese bescheidene Brücke zu sehen, resignierten wir letztlich und nahmen die Seilbahn für schlappe 25€ pro Person – welch eine Schmach. Die Fahrt mit der Seilbahn dauerte 20 Minuten und wir versuchten, jeden Cent der teuren Attraktion auszunutzen. Oben angekommen besichtigten wir natürlich die Brücke, die sich die 25€ pro Person nicht wirklich verdient hatte. Also verweilten wir noch ein wenig im dazugehörigen Resort, welches die Vorstellung von Disneyland in mir hervorrief. Es gab allerlei Fahrgeschäfte, ein gefaktes französisches mittelalterliches Dorf, eine Sommerrodelbahn uvm. Nachdem wir in der Kürze der Zeit das maximale Erlebnis aus unserem Geld herausgepresst hatten, dämmerte es schon ein wenig, was bedeutete, dass wir im Dunkeln zurückfahren mussten.

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50 Euro für eine Seilbahn? Da wird man ja vor Ärger gleich zum Pinguin 😀
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Die „Golden Bridge“. Ganz nett, aber eigentlich schrecklich überbewertet….
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Frankreich/Disneyland für Vietnamesen… Viel Kitsch, aber wem es gefällt…

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Da kommt doch glatt Weihnachtsstimmung auf…

Am 21.11. brachen wir dann morgens nach Hoi An, der Stadt der tausend Lichter auf. Wir gingen abends durch die alten Straßen mit den vielen Laternen und die hunderte von Lampions, die auf dem Fluss trieben, erzeugten eine wirklich eine schöne Atmosphäre, wären da nicht…Touristen. Hoi An war derartig überlaufen mit Touristen aller Herrenländern und wir mussten unsere gemieteten Fahrräder nutzen, um uns die Plage der Straßenverkäufer und der Touristen vom Leib zu halten. Die Stadt ist wirklich sehenswert, doch nachdem wir so lange so weit ab von den ausgetretenen Pfaden waren, war das zu viel für uns und wir hielten es nicht lange in der Altstadt aus. Die nächsten zwei Tage versuchten wir, die Massen zu meiden und vor allem organisierten wir den weiteren Verlauf der Reise, indem wir Flüge checkten, Möglichkeiten abwägten und einen groben Plan bis nach Neujahr aufstellten. Die Erinnerungen an den schrecklichen Unfall und die Tatsache, dass wir bis hierher, 2500 Km sicher durchs Land gekommen waren, ließ uns ins Grübeln kommen. Anika wollte einen Tauchkurs machen und es war möglich, die Maschinen in Hoi An abzugeben. Ich hingegen wollte auf keinen Fall Tauchen und eigentlich lieber noch ein bisschen Motorrad fahren.  Also planten wir für die nächsten 10 Tage wieder getrennt und während Anika am 24.11. in Da Nang in ein Flugzeug in Richtung Phu Quoc stieg, machte ich am morgen wieder die gleichen routinierten Handgriffe: Rucksack einpacken und festschnallen, Protektoren anlegen, Helm aufsetzen, Ständer hochklappen und los.

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In Hoi An sieht man deutlich die chinesische Vergangenheit der Stadt.
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Die Nacht Hoi Ans verwandelt sich in ein Lichtermeer aus Lampions. Wunderschön, nur leider viel zu touristisch…

 


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