Wie immer, wenn ich (Christian) das Zeitmanagement übernehme, waren wir sehr pünktlich (Anika würde sagen überpünktlich) am internationalen Airport von Siem Reap. Die viele überschüssige Zeit sinnvoll nutzen wollend, machten wir uns an die anstehende Einreisevorbereitung für unsere Weiterreise. Der Plan war fix und die Flüge waren bezahlt. Nach Taiwan sollte es fünf Tage nach Südkorea, dann fünf Tage Hawaii, 36 Stunden Los Angeles und schließlich nach Mexiko gehen. Als wir das Online-Einreiseformular für die USA ausfüllen wollten, traf uns dann plötzlich der Schlag, denn in dem sehr umfangreichen Fragebogen war auch die Frage enthalten, ob wir nach 2001 jemals im Iran oder anderen „Terrorländern“ waren. Eine Lüge in diesem Formular könnte uns bei der Einreise in ernste Schwierigkeit bringen, die Wahrheit anzugeben, stellte jedoch auch eine ganze Kette von Problemen dar. So wäre es uns zwar theoretisch möglich, trotz des Iranvisums auch ein USA-Visum zu beantragen, das würde allerdings pro Person mehr als 250US$ kosten und wir würden es zeitlich gar nicht mehr schaffen. Den Flug umzubuchen war auch nicht möglich, so dass eigentlich nur übrigblieb, die Homeland Security anzulügen und zu behaupten, wir wären nie im Iran gewesen. Zwar besaßen wir jeder einen zweiten Pass, der das Iranvisum nicht enthielt, trotzdem waren wir ziemlich besorgt.
Durch die Suche nach einem Ausweg aus unserem Dilemma hatten wir beinahe das Boarding verpasst und wurden dann durch den „last call“ zu unserem Flugzeug begleitet. Die Boeing war beinahe leer, wodurch der Flug nach Taipeh sehr ruhig und entspannt war. Während des Landeanfluges auf Taipeh spielte der Nebel um die hohen Berge von Taiwan und die untergehende Sonne tauchte das Panorama in fantastische Rottöne. In der Hauptstadt der „Republik China“ angelangt, wurden wir erst einmal von der Fortschrittlichkeit dieses Landes eingeholt. Der Granitboden war so sauberpoliert, dass man sich darin spiegelte und ich ein heruntergefallenes Brötchen ohne Zweifel weitergegessen hätte. Fortschritt hat allerdings auch seinen Preis und so verlangte man für 14 Tage mobiles Internet ganze 20€ von uns. Der Hochgeschwindigkeitszug, der uns im Anschluss mit über 300 km/h von Taipeh nach Taichung brachte, schlug mit 30€ zu Buche und uns wurde bewusst, wie schnell man in diesem Land seiner Ersparnisse entledigt werden kann. Die Nacht verbrachten wir in einem ca. 8m² großen Zimmer eines Minihotels, in dem unser ganzes Gepäck eigentlich nahezu die gesamte begehbare Fläche einnahm.
Nach einer sehr erholsamen Nacht in dem Hochbett tankten wir Kraft beim Hotelfrühstück, das mit Suppe, gebratenen Nudeln und Reissuppe sehr chinesisch war. An diesem Tag wollten wir unseren gemieteten Campervan am Bahnhof von Taichung abholen. Nur doof, dass es in Taichung mehrere Bahnhöfe gibt und unser Minihotel sich genau an dem befand, an dem der Treffpunkt für die Autoübergabe nicht war. Also mussten wir uns erneut im etwas unübersichtlichen taiwanesischen Nahverkehr zurechtfinden und zum anderen Bahnhof fahren, wo wir Eddy, unseren Autovermieter treffen wollten. Wir nahmen unseren gemieteten Mitsubishi Space Gear in Empfang und ließen uns gleich die Besonderheiten des Autos demonstrieren. Der in die Jahre gekommene „Ziegelstein auf Rädern“, wie ihn Eddy nannte, hatte beispielsweise Probleme den Zündschlüssel wieder herzugeben. Nur durch eine spezielle Klopftechnik auf dem Schalthebel ließ sich der Schlüssel aus dem Schloss ziehen. Außerdem würde der Mitsubishi in einem von 100 Fällen nicht anspringen. Dann würde es helfen, dass Auto zu schaukeln. Nach Eddys Predigt über die Gefahren des taiwanesischen Straßenverkehrs und den damit verbundenen drohenden Strafen beruhigten wir unseren Vermieter mit meiner, in ganz Asien erprobter Fahrtauglichkeit und durften von dannen ziehen.
Es war bereits Nachmittag und unser Plan für heute sah noch vor, das Gepäck aus dem Minihotel abzuholen, einen Wocheneinkauf zu machen und einen geeigneten Stellplatz für die Nacht zu finden und das noch bevor es dunkel werden würde. Vollgepackt mit tollen Sachen verließen wir Taichung, als die Sonne gerade unterging und wollten nur noch schnell tanken. Jetzt trat allerdings Fall eins von hundert ein und der Wagen ließ sich nicht mehr starten. Unter den ungläubigen Blicken der Tankstellenangestellten fingen wir also an, das Auto aufzuschaukeln, um danach noch einmal unser Glück zu versuchen – ohne Erfolg. Vielleicht ein bisschen heftiger Schaukeln? Also mit vollem Körpereinsatz das Auto richtig zum Wackeln bringen und den Schlüssel im Zündschloss drehen. Wir waren vermutlich genauso überrascht, wie die Leute an der Tankstelle, dass der Trick funktionierte und der Ziegelstein auf Rädern endlich ansprang.
Im Dunkeln schlängelten wir uns dann die engen Straßen Taiwans mit diesem riesigen Auto entlang. Gerade als meine Laune im Sturzflug sank, entdeckte Anika einen Staudamm, über den man einen Fluss queren konnte. Wir drehten und fanden einen schönen Platz zum Schlafen abseits der Zivilisation und direkt an einem kleinen Flüsschen.
Das glasklare Wasser staute sich in einer Bucht und ich nahm am nächsten Morgen erst einmal ein erfrischendes Bad im eiskalten Wasser. Nach dem Frühstück nahmen wir Kurs auf eine heiße Quelle und ignorierten dabei bewusst die Ratschläge der GoogleMaps-Tante, die uns in einem riesigen Umweg dorthin führen wollte, obwohl uns und die Quelle eine gelb eingezeichnete Bundesstraße verband. Wir schraubten uns also immer höher, auf häufig nur einspurigen Straßen ins Taiwanesische Bergland hinein, bis wir schließlich an einem Tunnel kamen, vor dem sich 5 Autos aufreihten. Die Leute gaben uns zu verstehen, dass hier kein Durchkommen sei und schickten uns heftig gestikulierend wieder zurück. Etwas frustriert, weil wir einfach auf die Internetnavigation hätten vertrauen sollen, drehten wir und hielten an einem Seven-Eleven. Diese 24-Stunden-Kioske sind in ganz Asien und Amerika verbreitet und man findet dort Snacks und Getränke. Einen USB-Adapter für den Zigaretten-Anzünder fanden wir allerdings nicht und wir gingen zurück zum Auto. Jetzt trat erneut Fall eins von hundert ein und wir fragten uns, wo Eddy seine Statistikkenntnisse aufgeschnappt hatte. Also boten wir für die uns beobachteten Taiwanesen wieder das Schauspiel der am Auto wackelnden Langnasen und fuhren anschließend unter ratlosen Blicken ab. Wir fuhren die gleiche Strecke zurück und kurz hinter unserem Stellplatz von letzter Nacht bogen wir dann auf die Bundesstraße 21 ab, um dieser eine Weile zu folgen. Der Tag war bereits wieder fast vorbei und wir mussten langsam einen Stellplatz suchen. Wir verließen die enge Bundesstraße und fuhren auf einen noch engeren Weg, an dem wir in eine Sackgasse fanden, die steil bergauf in einen Wald hineinführte. Auf der Karte sah die Stelle perfekt aus, doch die ersten hundert Meter ließen mich zitternd hoffen, dass uns jetzt niemand entgegenkommt und irgendwo eine Stelle zum Umdrehen ist. In einer kleinen Waldeinfahrt konnten wir das Schlachtschiff wenden und gleichzeitig abstellen. Für heute den 23.12.2018 stand allerdings noch eine zu erfüllende Pflicht auf dem Programm. Morgen würde schließlich Heiligabend sein, an dem es traditionell Kartoffelsalat nach dem Rezept meiner verstorbenen Oma geben sollte. Also kochten und schnippelten wir, während wir Weihnachtsgeschichten wie „Hirsch Heinrich“ auf Youtube hörten. Als wir fertig waren und noch schnell Nudeln mit Pesto gegessen hatten, war Nebel aufgezogen, es war stockfinster und mittlerweile ziemlich kalt. Einmal mehr erfreuten wir uns an der wohligen Wärme unserer Daunenschlafsäcke.
Wie im Vorjahr ist vom Kartoffelsalat eine gekochte Kartoffel verschont geblieben, die Anika am Morgen des 24.12 zu Küchleteig verarbeitete. Für alle Leser, die nicht aus Bad Lobenstein stammen, muss ich wohl erklären, dass Küchle eine Art Kartoffelteigfladen sind, die man in meiner Heimatstadt traditionell auf dem mit Holz befeuerten gusseisernen Ofen ausbäckt und im Anschluss mit geschmolzener Butter und Zucker einstreicht. Obwohl wir nur einen einflammigen Gaskocher, eine beschichtete Pfanne und noch schlimmer eine Köchin aus dem Sachsenlande zur Verfügung hatten, gelang das Ergebnis.

Gestärkt durch diese Kalorienbombe wollten wir heute die heiße Quelle erreichen, die wir schon am Vortag angepeilt hatten. Durch seinen vulkanischen Ursprung gibt es auf Taiwan unzählige heiße Quellen, in denen das heiße Wasser durch hinzugeleitetes, kaltes Wasser heruntergekühlt wird. Die Quelle, die wir zuerst besuchten, war nichts anderes, als ein rostiger Wellblechschuppen über einem betonierten Becken, in dem das Wasser eine Temperatur hatte, die nahe an meine Schmerzgrenze heranreichte. Als einzige Badegäste gingen wir hier intensiv der Körperreinigung nach und erholten uns von den Strapazen der Anfahrt zu diesem Ort. Die Straße hierher wurde nämlich kontinuierlich schlechter, enger und steiler. Auch hier wäre ein entgegenkommendes Fahrzeug der blanke Horror gewesen.
Etwas durch die Hitze beduselt stiegen wir zurück ins Auto und nahmen Kurs auf Lishan. Dass die Straße allerdings noch enger und steiler werden sollte, hätte ich nicht für möglich gehalten. Einige Kurven waren so eng, dass ich mehrmals hin- und herrangieren musste. Einige Passagen waren so steil, dass der Space Gear nur in seiner Lastenzug-Untersetzung schnaufend und ganz langsam den Berg erklomm. Der Tank neigte sich bereits dem Ende, als wir endlich zu der einen Stelle kamen. Dieser einen Stelle, die ganz am Ende einer supersteilen und engen Betonstraße lag und uns wieder auf eine große, richtige Straße führen sollte. Diese Stelle, an der uns plötzlich eine Betonbarrikade den Weg versperrte, sodass wir einige hundert Meter im Rückwärtsgang zurück mussten. Wir parkten, stiegen aus und suchten Rat an einer Kirche und hofften auf ein kleines Weihnachtswunder, denn den ganzen Weg zurück würden wir mit dem verbleibenden Schluck Sprit nicht schaffen. An der Kirche war keine Menschenseele aufzufinden und nach einigen Minuten kam durch Zufall ein Kleinlaster vorbei. Das Paar in dem blauen Suzuki zeigte uns einen Weg, der auf GoogleMaps nur in eine Sackgasse führte, doch sie versicherten uns, dass wir nach wenigen Kilometern auf eine Straße kämen, die nach Lishan führt. Das Christkind muss diese Leute geschickt haben, denn wir schafften es nach Lishan.

Unser erstes Ziel in dem kleinen Bergdörfchen war dann natürlich die Tankstelle und nachdem wir wieder mit reichlich Treibsoff ausgestattet waren, suchten wir wieder einen Stellplatz. Unsere zuvor auf der Karte ausgesuchte Stelle war leider wegen der sehr steil abfallenden Küste nicht auf vier Rädern zu erreichen, weswegen wir weiter entlang eines angestauten Flusses der Bundesstraße 8 folgten. Nach einer Brücke sah ich eine kurze Unterbrechung in der Leitplanke und wir erkundeten zunächst fußläufig den Schotterweg. Nachdem wir uns davon überzeugt hatten, dass der Weg befahrbar und Stellen zum Wenden vorhanden waren, folgten wir der unbefestigten Straße für etwa drei Kilometer, bis sich ein unglaubliches Panorama vor uns auftat, dass Anika an die Stauseen in meiner thüringischen Heimat erinnerte. Wir waren an einem Trinkwasserreservoir angekommen, an dem sich grüne, hohe, steile Berge in dem glasklaren Wasser spiegelten. Im Wald nebenan waren Tiere zu hören, von denen wir nicht wussten, ob es Affen oder Wildschweine waren und nur einmal störte unsere Einsamkeit ein Fischer-Duo. Unseren Heiligabend bereiteten wir durch das Sammeln und Aufschichten von Feuerholz, sowie das Auftafeln von Getränken und Kartoffelsalat vor. Wir schickten Dank der Skype-Internettelefonie noch ein paar Weihnachtsgrüße an unsere Lieben in Deutschland und grillten im Anschluss die Weihnachtswiener ganz unorthodox auf dem Lagerfeuer.



Am ersten Weihnachtsfeiertag mussten wir diesen schönen Platz leider verlassen, denn wir brauchten neue Vorräte und in Lishan war nicht viel mehr als ein Seven-Eleven zu finden. Gestärkt durch die Reste des Kartoffelsalates machten wir uns auf den Weg Richtung Taroko-Nationalpark. Die Straßen durch den Nationalpark waren zwar eng, aber gut asphaltiert und schlängelten sich entlang der steilen Berge immer mal wieder durch ein in den Fels gehauenes Loch. Von der atemberaubenden Landschaft sahen wir aufgrund des Nebels und des Dauerregens leider immer nur kurze Passagen.


Die im Internet ausgezeichneten Stellplätze waren leider nur Parkplätze direkt an der Straße und dadurch nicht wirklich verlockend. Wir suchten einige abgelegene Stellen ab, fanden allerdings nichts, was uns wirklich zusagte. Alles ist hier voll für den Tourismus ausgebaut, da ist scheinbar kein Platz für ein paar Wildcamper, die nicht über 60 Euro für ein Hotelzimmer ausgeben wollen. Als es bereits dunkel war, fanden wir einen riesigen asphaltierten Parkplatz, direkt an einem Fluss, der für diese Nacht wohl die beste Alternative darstellte. Die ebenfalls vorhandenen Spültoiletten lernte ich in der Nacht dann zu schätzen, denn ich hatte mir irgendetwas eingefangen. Geschwächt wachte ich am nächsten Morgen auf und war Anika sehr dankbar dafür, dass sie in Hualien alleine einkaufen ging, während ich im Van vegetierte. Erneut versuchten wir per GoogleMaps und dessen Sattelitenbildern einen Stellplatz zu finden und wurden mit einer wunderschönen Stelle am Meer belohnt. Als ich den Van drehen wollte, fuhr ich zu weit nach rechts und der Wagen blieb im dunkelgrauen Sand stecken. Verdammt! Durch die professionelle Motorrad-Freischaufler-Gang aus Turkmenistan inspiriert und die Erfahrung, dass es möglich war, sich aus so einer Lage zu befreien, machten wir uns an die Arbeit. Wir gruben mit Händen und schafften große flache Steine heran. Auf einem Stein setzte ich den Wagenheber an und pumpte den Space Gear in die Höhe, um unter die versunkenen Hinterräder Steine zu legen. Mehrmaliges Anheben, Freischaufeln und Steine unterlegen führten letztlich zum Erfolg und wir kamen frei. Während Anika uns ein leckeres Essen bereitete, bekam ich leicht Fieber und verbrachte den Rest des Tages überwiegend in der Horizontalen.
Am nächsten Tag lasen wir viel, während ich nur, wenn es wirklich sein musste, aufstand. Das Wetter verschlechterte sich und der Wind wurde so kräftig, dass das Auto ab und zu ins Schaukeln geriet. Nachts rieselte dann der Sand beständig gegen Karosse und Scheiben unseres im Wind wackelnden Campers und ich hatte Angst, dass wir von den Sandmengen eingegraben werden würden.


Am nächsten Morgen ging es mir besser, aber ich hatte dennoch schlechte Laune, denn das Wetter schlug mir aufs Gemüt. Außerdem war ich unserem pennerartigen Leben ein wenig überdrüssig geworden und ich wollte mich waschen. Draußen war es allerdings so kühl und windig, dass wir uns den Tot geholt hätten, wären wir im Meer baden gegangen. Also nahmen wir wieder Kurs auf eine heiße Quelle. Als wir ankamen, fanden wir eine nagelneue Badestelle mit zahlreichen Becken unterschiedlichster Temperatur nur für uns vor. Auf der anderen Straßenseite arbeiteten Bauarbeiter an der Fertigstellung des dazugehörigen Badehauses. Die digitalen Anzeigen über den Becken zeigten teilweise 50°C an, was allerdings selbst Anika zu krass war, obwohl sie sich unter der Dusche immer regelrecht abbrüht. In dem Becken mit der geringsten Temperatur von 42,8°C war es uns dann möglich, unsere Körper und Haare zu waschen, während die Umgebung mit herbstlichen Temperaturen, Nebel und Nieselregen richtig ungemütlich war. Auf der Suche nach einem Platz, um die Nacht zu verbringen, kurvten wir ein bisschen durch die Gegend und stellten uns schließlich in irgendeinen Feldweg unweit der Quelle. Abends kochte ich dann Spaghetti Carbonara mit originalen Parmiggiano. Da wir uns die ganze Zeit mit leckeren Essen bekochten, während wir gleichzeitig wie Penner lebten, uns in Bächen und heißen Quellen wuschen, prägten wir den Lifestyle der Gourmetpenner, mit dem ich mich an diesem Abend wieder lernte anzufreunden.
Im Nord-Osten Taiwans befindet sich der Yehliu-Geopark, den wir am nächsten Tag besichtigten. Auf einer Halbinsel hat hier die Kraft des Meeres das aus Sandgestein bestehende Ufer zu skurrilen Formationen erodiert. Viele der natürlichen Statuen gleichen Pilzen oder gigantischen Noppen, die aus dem Boden ragen. Eine der Hauptattraktion ist der „Queenshead“ vor dem die Parkranger eine Absperrung errichtet haben, durch die einzelne Grüppchen treten dürfen, nachdem sie schier ewig für das begehrte Foto anstanden.

Die Masse an sich chinesisch verhaltenden Touristen war erdrückend und wir versuchten dem zu entkommen, indem wir bis ans Kap der Halbinsel liefen. Hier hatte man eine fantastische Aussicht auf den Ozean und die sturmumtoste Halbinsel. Die Touristenmasse hingegen hatte entweder keine Zeit oder Lust so weit zu wandern, weswegen wir beinahe allein an diesem schönen Ort waren.


Nach diesem Erlebnis versuchten wir erneut eine heiße Quelle anzusteuern und mussten enttäuscht wieder von dannen ziehen. Die Quelle war durch ein enormes Freizeitbad und ein dazugehöriges Hotel kommerziell völlig ausgeschlachtet und wir hatten auf keinen Fall Lust auf noch mehr Touristenmassen. Unweit fanden wir einen öffentlichen und kostenlosen Zeltplatz, auf dem wir sogar unsere Elektrogeräte aufladen konnten und sehr nette taiwanesische Nachbarn hatten. Während ich bei Regen mehr oder weniger erfolglos versuchte Feuer zu machen, bekam Anika immer finstere Laune. Erst am nächsten Morgen sollte sie wieder der gewohnte Sonnenschein sein und wir machten uns auf den Weg nach Taipeh. Während der Fahrt vernahmen wir immer mal wieder den beißenden Geruch von faulen Eiern, der von heißen Quellen irgendwo in der Nähe herrühren musste. Kurz vor der Hauptstadt folgten wir unserer Nase und hielten noch einmal an. Wir fanden ein abgezäuntes Areal und sahen das kochend heiße Wasser aus dem Erdinneren sprudeln, während hier und da die Steine gelb von Schwefelablagerungen waren. Der Zaun und der Gestank ließen in uns nicht gerade Badestimmung aufkommen und außer ein paar Hunden, die sich in der Nähe der Quellen wärmten, war kein Mensch innerhalb der Absperrung zu sehen.
An diesem 30.12. wollten wir in Taipeh auf einem Campingplatz schlafen, doch unser erster Versuch scheiterte, denn der Zeltplatz im bergigen Norden der Stadt war komplett ausgebucht. Da half kein Bitten und Flehen und wir mussten uns nach einer anderen Bleibe für die Nacht umsehen. Die Idee, uns unweit des Campingplatzes auf einen Parkplatz zu stellen, verwarfen wir zu Gunsten eines anderen Campingplatzes am anderem Ende der Stadt, den wir zuvor telefonisch reserviert hatten. Nach dem Anika uns Eier in Senfsoße bei Sprühregen gekocht hatte, wärmten wir uns mit einer heißen Dusche und frönten danach unserem Gourmetpenner-Leben, während wir einen Jahresrückblick auf dem Laptop schauten.
Der letzte Tag des Jahres 2018 begann dann mit ausführlichen Ausschlafen gefolgt von Rumliegen und Lesen im Van. Bevor wir losgingen, gab es die letzten Nudeln mit Tomatensauce im Jahr 2018.

So gestärkt machten wir uns gegen 15 Uhr auf in die Stadt und besuchten den Chaing Kai Sheik Gedächtnispark. Der Park ist dem Gründer der Taiwanesischen Beinahe-Autonomie gewidmet und in der Gedenkhalle zu Füßen seines riesigen bronzenen Antlitzes, bekamen wir durch Zufall mal wieder eine Wachablösung mit.

Ziemlich hungrig wollten wir anschließend das „Din Tai Fung“ besuchen, ein Restaurant, das Anika herausgesucht hatte und in dem es die besten „ Xiao Long Bao“ (mit Brühe und Fleisch gefüllte, gedämpfte Teigtaschen) Taiwans geben sollte. Als wir dort ankamen, sahen wir eine riesige Menschentraube, die vor dem Restaurant stand und darauf wartete, einen Tisch zu bekommen. Wir zogen auch eine Nummer und erfuhren, dass die Wartezeit ungefähr 2,5 Stunden betragen würde.

Anika, die Essen einem wesentlich höheren Stellenwert zumisst, als ich das tue, konnte mich nur zum Ausharren animieren, indem wir eine Craft-Bier-Kneipe zur Überbrückung der Wartezeit anpeilten. Während wir uns durch verschiedene Biersorten kosteten, kamen wir kurz mit einem koreanischen Pärchen ins Gespräch, die ebenfalls eine Wartenummer des Restaurants gezogen hatten und genau wie wir, die Wartezeit sinnvoll nutzen wollten.

Nachdem wir endlich Einlass in die heiligen Hallen des Michelin ausgezeichneten Restaurants gewährt bekamen und tatsächlich sehr gute Xiao Long Bao verspeist hatten, dürstete uns und wir suchten eine Bar auf, in der es am Abend auch Livemusik geben sollte.

Von der Happy-Hour verführt, zogen wir es vor, im Barbereich zu stehen und mit vielen Einheimischen und Reisenden ins Gespräch zu kommen, statt Eintritt zum Konzert zu bezahlen. Gegen 23 Uhr machten wir uns dann auf um zum hohen Taipei 101, dem Wahrzeichen des modernen Taipehs, das in den Jahren 2004 bis 2007 das höchste Gebäude der Welt war und derzeit „nur“ noch das zehnthöchste ist. Leider bedeckte dicker Nebel den Himmel und vom Wolkenkratzer waren nur die ersten Stockwerke zu erkennen. Jedes Jahr zu Silvester findet am Taipei 101 ein aufwändiges Feuerwerk statt, das von allen Ecken jedes zehnten Stockwerkes des Wolkenkratzers abgefeuert wird. Der Regen, der Nebel und der durch das Feuerwerk ausgelöste Qualm sorgten dann leide508 mr dafür, dass wir nicht allzu viel davon sahen. Ob die Pyrotechniker nur die Raketen der unteren Stockwerke zündeten, oder ob wir den oberen Rest einfach auf Grund des Nebels und Qualms nicht sahen, können wir nicht sagen.


Nach Auskunft eines echten Taipehianer aus der Bar ist dieses Spektakel jedenfalls ungefähr so reizvoll wie für echte Berliner zum Jahresanfang ans Brandenburger Tor zu gehen. Trotzdem war der Rückweg dann mehr Nervenkitzel, als das gesamte Feuerwerk, denn nun drängten Tausende von Menschen gleichzeitig in die Metro. Die Angestellten der Verkehrsbetriebe versuchten ihr Bestes, um immer nur einzelne Schübe der Menschenmasse in den Untergrund zu lassen und ich glaube ohne deren Arbeit dort, wären sicher einige Menschen zerdrückt oder zertrampelt worden. Auf den Schock genehmigten wir uns noch ein paar Getränke in der zuvor schon aufgesuchten Bar und ließen uns gegen 4:30 von einem Uber zu unserem Gourmetpenner-Heim fahren.
Für Anika begann der erste Tag des neuen Jahres mit der Erkenntnis, dass sie langsam alt wird und nicht mehr so viel verträgt wie früher. Dennoch pellten wir uns am Nachmittag aus der Geborgenheit unserer Schlafsäcke und fuhren noch einmal zum Taipei 101. Dieses Mal wollten wir das Gebäude jedoch nicht nur von unten besichtigen, sondern wir wollten hoch hinauf. Der ehemals schnellste Fahrstuhl der Welt katapultierte uns dann auf über 500 Meter und die Aussicht wäre sicher umwerfend gewesen, wäre es nicht wieder tierisch nebelig gewesen. Für einige Sekunden riss der Nebel dann doch kurz auf und wir konnten einen schwindelerregenden Blick in die Tiefe werfen. Die anderen Wolkenkratzer sahen von hier oben wie Spielzeughäuser und die Autos eher wie Ameisen aus. Der Nebel konnte uns allerdings nicht den Blick auf die riesige goldene Kugel im Inneren des Turms vermiesen. Die Stahlkugel, ein so genanntes „Tilgerpendel“ mit 5 m Durchmesser und 660 t Gewicht dient als Schwankungsdämpfer für das Gebäude während Taifunen und Erdbeben. Durch armstarke Stahlseile getragen und durch riesige hydraulische Stoßdämpfer gelagert, absorbiert der Koloss neben zwei kleineren Tilgerpendeln in der Antenne die Eigenbewegung des Megagebäudes während extremer Naturereignisse. Dass dies funktioniert und wie die tonnenschwere Kugel in Bewegung geraten kann, konnte man (zum Glück) nur auf Videoaufnahmen sehen.

Am zweiten Tag des neuen Jahres hieß es dann langsam Abschied nehmen, denn heute mussten wir den Ziegelstein auf vier Rädern wieder abgeben. Ein letztes Mal machten wir noch einen Gourmetpenner-Stopp und wärmten auf einem Autobahnrasthof Kartoffelbrei und Würstchen vom Vortag auf. Die gar nicht scheuen Asiaten waren zum Teil nur durch ausdauerndes und leicht aggressives Anstarren auf Distanz zu halten, auch wenn es dennoch zwei Exemplare schafften, mit lauten „hohhh“ und „hahhhh“ ihre Nasen in unseren Kofferraum zu stecken. Bei der Übergabe freute sich Eddy, sein Auto beinahe unbescholten wieder zu bekommen. Beim Schließen der einen Schiebetür auf Anikas Seite hatte sie nämlich plötzlich den Griff in der Hand. Diese Altersschwäche war Eddy allerdings bekannt und er selbst hatte den Griff zuvor geklebt.

Dass auch wir bei dem Mittelspiegel auf Sekundenkleber zurückgekommen sind, nachdem dieser uns aus Versehen abgebrochen ist, verschwiegen wir lieber.
Mit dem Bummelzug fuhren wir anschließend zurück Richtung Taipeh, um von dort unseren Flieger nach Daegu in Korea zu nehmen.
Fazit Taiwan
Taiwan hat ein ähnliches Preisniveau wie Deutschland, obwohl Lebensmittel insbesondere Importprodukte noch einmal wesentlich teurer sind. In den Städten und Ballungszentren ist Platz Mangelware und Unterkünfte dementsprechend relativ teuer. Ein Mietwagen, in dem man übernachten kann, ist daher die beste und preiswerteste Alternative. Wer sich auch so einen tollen Ziegelstein auf Rädern mieten und lernen will, wie man einen Schlüssel mit einer Zärtlichkeit aus dem Schloss entfernt, die fast schon intim ist oder wie man ein Auto professionell durch Aufschaukeln startet, der schaut im Internet unter „Green Island Adventures“. Stellplätze findet man überall mit ein wenig Suchen auf der ganzen Insel und wenn man bereit ist, auf heiße Dusche oder Strom zu verzichten, etwas „Gourmetpenner“ zu sein und seinen Müll wieder mitnimmt, haben die Taiwanesen da auch nichts dagegen.
Obwohl wir nicht mit allzu vielen Menschen in Kontakt gekommen sind, würde ich die Taiwanesen trotzdem als ruhig, aufgeschlossen, ordnungsliebend, regelaffin und in sich gekehrt beschreiben. Damit unterscheiden sie sich meiner Meinung nach stark von den Festlandchinesen, aber auch ein wenig von den Hongkongnesen.
Dass wir mit dem Wetter ziemliches Pech hatten, kann man dem Klimadiagramm entnehmen, denn normalerweise hat Taiwan auch im Winter durchschnittliche Temperaturen um die 20°C und nur mäßige Niederschläge. Die Natur und die Panoramen sind umwerfend und obwohl wir wussten, dass es viele Berge auf der Insel gibt, waren wir dennoch völlig überwältigt von der wilden Natur und den steilen Bergen im Landesinneren. Die über die ganze Insel verteilten heißen Quellen werden nach und nach immer mehr kommerzialisiert und sind nur fernab der Zivilisation noch echte Ruheoasen. Wie oben bereits beschrieben sind die Straßen insbesondere im Landesinneren und abseits der größeren Fernstraßen eine echte Herausforderung. Der Verkehr in den Städten ist hingegen ziemlich geordnet und gesittet und die großen Straßen haben meist einen tadellosen Belag.
Taiwan wäre für uns jedenfalls jederzeit wieder eine Reise wert, zumal wir den gesamten Süden inklusive des größten, sitzenden Buddhas der Welt noch nicht gesehen haben. Wir kommen wieder und hoffen das nächstes Mal auf besseres Wetter.
Hallo ihr beiden, seid ihr gerade in Südamerina unterwegs? Haben heute auf der Heckscheibe eines Campers in Ushuaia, Argentinien den Hinweis zu eurem tollen Blog gesehen. Falls ihr Interesse hättet, euer Auto am Ende der Welt, unserem Reisebeginn von Süd nach Nord durch Südamerika, weiterzugeben, dann meldet euch gerne mal! Viele Grüße, Sophia & Amando
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