
Nach einem fünfstündigen Nachtflug landeten wir kurz vor Mitternacht in Mexiko City. Zum Glück war es hier möglich, Taxis mit der App „Uber“ zu bestellen, denn nach diesem Vorfall in Los Angeles waren wir nur froh, es möglichst einfach zu haben, um unsere noch immer zum Drahtseil gespannten Nerven ein wenig zu lockern. Dazu gehörte auch das für unsere Verhältnisse mit 45 Euro pro Nacht sehr teure Apartment, welches wir für die nächsten 8 Nächte bezogen. Hier mangelte es uns an gar nichts. Direkt am ersten Tag fand direkt vor der Haustür ein kleiner Wochenmarkt statt. Es duftete herrlich, das Wetter war wegen der Höhenlage der Stadt (circa 2200 m über NN) angenehm, laute fröhliche Musik spielte, nett aussehende Menschen saßen beim Mittagessen. Meine Laune verbesserte sich schlagartig, vor allem als wir ganz frisch hergestellte Quesadillas (zusammen geklappte und getoastete Tortilla mit Käse und in unserem Fall noch zusätzlich mit Kürbisblüten gefüllt) vor uns stehen hatten. Die frischen Salsas (Saucen) schmeckten göttlich und machten Lust auf mehr. Sofort wurde klar, dass die wahre mexikanische Küche nichts mit dem zu tun hat, was wir in Deutschland unter der fett- und fleischgeschwängerten (Tex) – Mex – Küche verstehen. Frei von Fett und Fleisch ist es in Mexiko natürlich auch nicht, aber die vielen frischen Salsas, Kräuter (meist Koriander), zusammen mit aromatischen Obst und Gemüse schafft einen viel leichteren und abwechslungsreicheren Geschmack als man dies bisher von „mexikanischen“ Essen kannte. Besonders Christian freute sich schon am ersten Tag über die überall zu findenden Tacos. Das sind etwas handtellergroße Tortillas, die mit verschiedenen Zutaten gefüllt werden. Typisch für Mexiko Stadt sind „Tacos al pastors“. Dafür wird Fleisch von einer dönerspießartigen Vorrichtung abgeschabt und mit frischer Ananas in der Tortilla serviert. Dazu haut man sich dann noch Unmengen an frischen Salsas wie Pico de Gallo (klein geschnittene Tomaten, Zwiebeln und Koriander)a, Guacomole (Avocado-Dip) oder selbstgemachte, höllisch scharfe Chilisauce drauf. Lecker! (Leider haben wir immer zu viel Hunger gehabt, um Fotos zu machen. Ihr könnt euch diese Leckerei mal hier anschauen)All das tröstete uns über die Enttäuschungen des ersten Tages hinweg, denn wir hatten unseren eigentlichen Plan, mit dem Mietwagen durch den Ostteil Mexikos zu fahren, noch nicht ganz aufgegeben.

All das wäre ganz einfach gewesen, wenn Christian nicht sowohl des normalen Führerscheins, als auch des internationalen Führerscheins bestohlen wurde. Ich selbst hatte zwar noch meinen, traute mir aber nicht zu, am Stück die ultralangen Distanzen zu fahren, die es in einem Land fünfmal so groß wie Deutschland zweifelslos zu überwinden galt. Unsere Überlegung war – Da der internationale Führerschein ja international war, könnte er doch auch überall ausgestellt werden. Nichts da! Man schickte uns von einem Autoclub zur Führerscheinstelle, von Pontius zu Pilatus und überall wurde nur bestätigt, dass dies nur für Bürger oder mit einem „resisdent-visa“ möglich ist. Zwei gute Dinge hatte der Behörden-Countdown jedoch. Wir fanden heraus, dass unser spanisch so gut ist, einen so komplizierten Sachverhalt wie diesen zu erklären, aber auch gleichzeitig so schlecht, dass wir erstmal merkten, wie geduldig und hilfsbereit die Mexikaner sind, um bei unseren gebrochenen Ausführungen aufmerksam zuzuhören.

Die nächsten Tage standen im Zeichen vom Shopping. Während der eine oder die andere jetzt bestimmt jubiliert, war das für uns gar nicht so lustig. Das Geld, was wir im Decathlon oder im H&M ausgaben, um unsere gestohlenen Sachen zu ersetzen und mehr als zwei T-Shirts und eine Hose zu haben, hätten wir lieber für andere Dinge ausgegeben. Aber irgendwie war es auch gut, endlich wieder zwei Rucksäcke mit ein bisschen was drin zu haben. Auch jetzt nagte der Einbruch in Los Angeles noch stark an uns. Jetzt, wo wir zur Ruhe kamen, traf es auch mich mit dem am Ende sein. Der Grund dafür war gar kein schlimmer. Ich versuchte am Automaten im Supermarkt Geld zu ziehen. Beim ersten Versuch wurde nur umgerechnet ein Euro ausgespuckt. Neuer Versuch mit anderer Karte- nun kam gar nichts. Ein Blick auf das Konto machte klar – es wurde jedes Mal der gewünschte Betrag, der nie kam, gebucht. Eigentlich kein schlimmes Problem, dass mit Stornierung und einer Kartensperrung auch im Endeffekt einfach gelöst werden konnte. Irgendwie machte es jedoch für mich das Maß voll. Während ich erst bei Christian das Steh-auf-Frauchen gemacht hatte, musste er es nun bei mir tun. Wie fertig ich war, zeigt wohl auch, dass ich sogar geschaut habe, wie viel Rückflüge nach Deutschland kosten. Insgeheim habe ich natürlich gewusst, dass ich es schon beim Drücken auf die Enter-Taste bitter bereut hätte. Nach viel Kummer und einer ordentlichen Portion Nudeln mit Tomatensauce sah die Welt jedoch schon wieder sonniger aus.
Am Montag war es nach viel Entspannung Zeit für ein bisschen Sightseeing. In der U-Bahn muss man ganz schön quetschen, denn auch die 14 Linien mit 195 Haltestationen sind nicht genug, um die riesige Einwohnerzahl von A nach B zu befördern, ohne dass man an den Hauptverkehrszeiten das Gefühl hat, man würde sich in einer Saftpresse befinden. Kein Wunder, denn täglich verkehren von den insgesamt fast 9 Mio. Einwohnern der Stadt über die Hälfte mit der Metro. Auf dem riesigen „Plaza de la Constituición“ genossen wir das schöne Wetter und nahmen ein bisschen das lokale Feeling in uns auf. Trotz der Größe der Stadt sind die Menschen hier (außer im Straßenverkehr und im öffentlichen Nahverkehr) doch sehr entspannt. Überall läuft mexikanische Musik und so gut wie jeder hat ein Lied auf den Lippen. Die Mexikaner, denen wir erzählten, dass man in Deutschland als Nichtmusiker nur auf der Straße singt, wenn man einen Knacks im Hinterstübchen hat, konnten es gar nicht fassen. Schade eigentlich, denn dann wäre es in Deutschland bestimmt etwas fröhlicher.
Am „Plaza de la Constitución“ genossen wir etwas das milde Wetter.


Danach wanderten wir zum „Mercado la Merced“, dem größten Markt der Stadt. Ich war auf dem Markt wieder voll in meinem Element. Hier gab es, in einzelne Sektionen unterteilt, alles was das Herz begehrt. Und im Gegensatz zu Deutschland haben auch alle Frischwaren einen unvorstellbar aromatischen Geschmack. Besonders die Avocados, die es hier günstig in rauen Mengen zu erwerben gibt, sind super cremig und lecker. Aber auch Exotisches fand sich auf dem Markt. Zum Beispiel essen die Mexikaner für ihr Leben gern Nopales, die Blätter von Kakteen. Diese, natürlich von Stacheln befreite Spezialität, schmeckt gekocht oder gebraten etwas säuerlich und wirklich gut.


Auch auf den anderen Märkten ist die Auswahl riesig und frisch gekochte Speisen sehr lecker und weit mehr als nur die allgegenwärtigen Tacos. So fanden wir auf dem „Mercado Coyoacan“ Toastadas (harte Tortillas) mit verschiedenen Sorten Ceviche (mit Zitronensaft roh marinierte Meeresfrüchte oder Fisch). Nur einmal lag ich Suppenfreund bei der Bestellung einer „Sopa de panza“ total daneben. Wie ich gleich bei der Lieferung olfaktorisch feststellte, ist dies eine Kuttelsuppe und in dem Fall keine von den guten. Selbst mit viel Zitronensaft und Koriander kaum zu ertragen. Apropos (v)ertragen- mittlerweile ist unser Magendarmtrakt wahrscheinlich so abgehärtet, dass wir auch aus der Kloschüssel essen könnten. Spaß beiseite, das lokale Essen vertragen wir trotz Hygienebedingungen, bei denen sich bei Lebensmittelprüfern in Deutschland die Fußnägel aufrollen würden, ziemlich gut. Auch wenn nicht alles absolut steril ist, so ist es doch sehr viel frischer zubereitet als in vielen Gaststätten in Deutschland und damit unbedenklich. Demjenigen, der gerade aus dem übersterilen Deutschland kommt, sei jedoch ein langsames Herantasten empfohlen.
Aber nun mal zu dem eigentlichen Grund unseres doch sehr langen Aufenthalts in der Hauptstadt Mexikos. Am Dienstag, fünf Tage nach unserer Ankunft in Mexiko Stadt, war endlich Christians lang ersehnter Termin auf der deutschen Botschaft. Mit Frau Sax, nennen wir sie lieber Frau Engel, hatten wir schon am Telefon in Los Angeles gesprochen. Wir fühlten uns nicht nur wegen des Berliner Bären vor der Eingangstür wie zu Hause und waren erfreut, dass endlich mal wieder etwas klappte und der Reisepass in ungefähr drei Wochen nach Beantragung in Mexiko Stadt ankommen sollte. Auch gab sie unserer schon längst verloren geglaubten Hoffnung, auf der Reise ohne Rückflug einen neuen Führerschein zu bekommen, neuen Mut. Doch dazu später mehr. Der Besuch auf der Botschaft machte uns mal wieder klar, dass man manche in Deutschland noch so nervig empfundenen Dinge, wie etwa die Bürokratie, im Ausland doch auf einmal sehr schätzen kann.
Da jetzt das wichtigste geregelt war, führte uns unser Weg ins anthropologische Museum.

Dieses gigantische Museum, für das man eigentlich mehr als einen Tag braucht, kostet nicht nur recht günstige 7 Euro für zwei Personen, sondern es gibt auch kostenlose Führungen in Englisch. Diese deckt in zwei Stunden nur einen einzigen Raum der gesamten Ausstellung ab und gibt einen kleinen Einblick in die aztekische Kultur. In ihr hat das heutige Mexiko seinen Ursprung. In der Ebene vom heutigen Mexiko Stadt nahm alles seinen Anfang, als die Azteken dort Anfang des 14. Jahrhundert die Stadt Tenochtitlan gründeten. Einer Stadtgründungslegende nach sahen die Azteken an genau der Stelle, wo heute Mexiko Stadt ist, einen Adler, wie er auf einem Kaktus sitzend mit einer Schlange kämpfte und beschlossen, an diesem Ort sich häuslich niederzulassen. Diese Gründungslegende ist sogar heute auf der mexikanischen Flagge abgebildet. Tatsächlich war dieser Ort mitten in einem See auf einer Insel, welche dann durch Aufschüttung bis zu den Ufern des Sees ausgedehnt wurde. Mexiko Stadt ist also wortwörtlich auf Wasser gebaut. Ein Grund dafür, warum die Stadt derzeit immer mehr absackt und von Überschwemmungen heftig getroffen wird. Als die Spanier im 16. Jahrhundert eintrafen, schleppten sie Seuchen ein und vernichteten damit die über 100.000 in diesem Gebiet lebenden Azteken fast vollständig. Deren einziger Widerstand war heftiger Spritzpups, den die Spanier wegen des ungewohnten Essens und Klimas akut bekamen und ihn nach Tenochtitlans letzten Herrscher Moctezuma II. als „Montezumas Rache“ bezeichneten. Eine weitaus schönere Hinterlassenschaft war linguistischer Natur, denn ohne sie würde unsere viel geliebte Schokolade (in der Aztektensprache Nahuatl „xocólatl“) heute wohl einen anderen Namen tragen. Und dank der überschäumenden Hormone der spanischen Eroberer in Kombination mit fehlenden Verhütungsmitteln können die meisten Mexikaner heute stolz behaupten, auch noch wenigstens einen kleinen Teil Aztekenblut in sich zu tragen. Insgesamt war es eine sehr interessante Führung, weil sie immer wieder Verbindungen zum heutigem Mexiko und seiner Hauptstadt zog.



Am Abend kamen wir dem aufgekommenen Heimweh etwas mit einem Roggenbrot aus einer niederländischen Bäckerei, Wurst von der deutschen Fleischerei, sauer eingelegten Maiskölbchen und einem schönen „Flens“ nach. So lecker die Küchen der Welt sind, ab und zu sehnt sich die Zunge doch nach heimischen Gefilden.
Am vorletzten Tag unseres Aufenthaltes in Mexiko Stadt machten wir einen kleinen Trip zur 45 km nordöstlich liegenden Ruinenstadt Teotihuacán. Die teuren Touren dorthin schenkten wir uns und fanden mittels der App „Moovit“ und einer kurzen Internetrecherche heraus, wie die Locals dorthin kommen. Statt einer fast 80 € teuren Tour für das UNESCO-Weltkulturerbe bezahlten wir so nur knapp 18 Euro für 2 Personen für Eintritt und Hin- und Rückfahrt. In der antiken Stadt Teotihuacán kann man nicht nur die Ruinen einer fast 2000 Jahre alten Stadt finden, sondern hier stehen mit der 46 m hohen Mond- und der sogar 65 m hohen Sonnenpyramide zwei Bauwerke, die sich vor denen in Ägypten sicherlich nicht verstecken müssen.

Die Stadt beherbergte zu ihrer Blütezeit im 3. Jahrhundert n.Chr. einst circa 200.000 Einwohner auf mehr als 20 Quadratkilometern und war damit seinerzeit die größte amerikanische Stadt. Das ganze Ausmaß der Stadt, von der noch längst nicht alles freigelegt wurde, sieht man natürlich am besten von den Pyramiden aus. Diese zu erklimmen ist nicht gar nicht so einfach, denn die Stufen sind außergewöhnlich schmal und reichen extrem großen Menschen bis ans Knie und normal großen Menschen wie mir bis an den Oberschenkel. 😀 Da muss man ganz schön aufpassen und auch ein bisschen schwitzen, aber der Blick von oben lohnt sich!




Wir waren froh, dass wegen der frühen Ankunft und der Nebensaison nicht allzu viele Touristen unterwegs waren. Trotzdem zerrten die Souvenirverkäufer, welche in der Region vorkommende Obsidiane, Minipyramiden, Schnitzereien, Kleidung etc. verkauften und einem immer wieder mit einer Art Jaguar-Fauchen-Flöte erschreckten, ganz schön an den Nerven. Wir überlegten jedoch ein paar Accessoires zu erstehen und lachten noch bei der Heimfahrt Tränen bei der Vorstellung, in ein paar Monaten im Lehrerzimmer im Poncho und Sombrero aufzukreuzen und allen mittels der Jaguarflöte anzukündigen, dass wir wieder da wären. Ob sie uns dann gleich wieder nach Hause schicken würden? 😀
Am letzten Tag stand erst am Abend unser Weiterflug nach Cancun an. Doch nachdem wir in den letzten 6 Tagen schon kreuz und quer durch die Millionenstadt gefahren waren, wollten wir uns nun noch einmal von oben von den gigantischen Ausmaßen überzeugen. Das geht am besten vom Torre Latinoamericana, mit 182 m der höchste Turm Lateinamerikas. Zwar erreicht der nur die Hälfte der Höhe des Berliner Fernsehturm, man bezahlt aber auch mit 11 Euro für zwei Personen deutlich weniger, um sich mit dem Fahrstuhl bis in luftige Höhen befördern zu lassen. Und siehe da, bis an Berge, welche die Stadt umgeben, nur Großstadtdschungel. Wir staunten erneut darüber, wie wenig wir die Stadt als Megacity empfanden. Das realisiert man wohl erst, wenn man die Stadt, vor allem an Hauptverkehrszeiten, einmal komplett von einer Ecke zur anderen durchqueren muss.


Nach einem kleinen Snack machten wir uns auf dem Weg zum Flughafen, denn es war Zeit für den Flug nach Cancun. Warum wir auf einmal durch das halbe Land in eine Stadt flogen, in die wir wegen der dortigen Touristenmassen eigentlich überhaupt nicht wollten, erfahrt ihr in Teil 2….