An den Billigflügen von „Aeromexico“ könnten sich manche europäische Airline noch etwas abgucken. Leckeres Essen und Check-In-Gepäck ist vollkommen inklusive. So kamen wir recht ausgeruht in Oaxaca an. Dann fing jedoch wieder der für Touristenorte typische erschwerte Transport vom Flughafen zur Innenstadt an. Hier ist der einzige Weg ein Sammeltaxi, welches einen für einen für Mexiko vollkommen überteuerten Preis von 13 Euro dann wenigstens direkt vor die Unterkunft schafft.
Am nächsten Tag ließen wir uns durch die Stadt treiben und stockten noch ein bisschen unseren Vorrat an Kleidung auf. Kein Wunder eigentlich, deBeim Nachhause gehen wollten wir eigentlich nur schauen, warum auf dem Marktplatz ein derartiger Menschenauflauf war. Kaum schauten wir dem Clown dort auch nur eine Minute zu, hatte er uns schon direkt entdeckt. Vollkommen zwecklos, sich in Mexiko als Weißnase unentdeckt unter die Masse mischen zu wollen. So wurde ich unfreiwillig zum Lacher der gesamten Meute, die sich herrlich über mich nicht jedes Wort verstehende Gringa amüsierte, welcher der Clown mittels Ballonmodellage die (angeblichen) Unterschiede zwischen mexikanischen und deutschen männlichen Geschlechtsteilen beibrachte. Für den Lachmuskelkater habe ich mich doch gerne vor halb Oaxaca zum Ei gemacht.
Tags darauf wollten wir unseres amateuerhafte Stadtgebummel vom gestrigen Tage etwas mit Wissen unterlegen. So standen wir pünktlich um 10 Uhr vor der Kirche „Templo de Santo Domingo“.

Wir lernten dabei nicht nur, dass die Stadt schon über 30 Jahre zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, die Stadt erstaunlich gut für die ständigen, heftigen Erdbeben in der Region erhalten ist und dass Bürgerproteste die Eröffnung eines McDonald´s verhindert haben, sondern auch, dass die Mexikaner die Diabetesrangliste mit ganz oben anführen, weil sie in der Regel ständig und außerdem zu wuchtig essen. Wer mag es ihnen aber bei dem leckeren Essen auch verdenken? Auch wir mussten uns direkt nach der Tour wieder auf die Suche nach neuen Leckereien machen. Besonders in der Region Oaxaca steht mit den „Chapulines“ ein Snack der besonderen Art auf der Speisekarte. Zart besaitete sollten jetzt mal wieder weglesen, denn Chapulines sind nichts anderes als frittierter, teils mit Chili oder anderen Zutaten gewürzter Grashüpfer. Und wenn man darüber hinweg gucken kann, dass dein Snack dich mit großen Augen anguckt, dann ist das eine leckere und vor allem viel gesündere Alternative zu Chips und Co.

Noch vieles weiteres gibt es auf dem „Mercado 20 de Noviembre“ zu bestaunen. Etwa die so genannte „calle de carne“, in der in etwa gute 40 Fleischstände um die Wette grillen, so dass innerhalb von Sekunden alles an einem nach „Eau de Fleisch“ riecht. Auch für geräucherte Chilischoten, Schokolade und die so genannte „Mole“ (verschiedene Saucen mit über 35 Gewürzen, darunter Schokolade und Chili) ist Oaxaca bekannt. Die Schokolade ist hier anders als in Deutschland, weniger süß, mit mehr Gewürzen und wird in der heißen Schokolade meist mit Wasser und nicht mit Milch zubereitet. Ganz schön ungewöhnlich für uns, die hoch verarbeitete Schokolade gewohnt sind.
Für den nächsten Tag machten wir es uns noch einfacher und buchten eine Tour zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten in der Region. Wieder einmal stellten wir fest, dass man mit ein bisschen Recherche ein und dieselbe Tour über 50 % billiger bekommen kann. Tatsächlich machten wir uns mit dem Gedanken auf, dass man für nur 37 Euro für zwei Personen selbst bei einer schlechten Tour nicht allzu viel Verlust gemacht hätte. Früh morgens bestiegen wir den Kleinbus und drückten gleich einmal das Durchschnittsalter gewaltig nach unten. Zusammen mit unserer Rentnertruppe, die in Mexiko ihren Lebensabend durchgehend in der Sonne verbrachten, steuerten wir zuerst ein Dorf an, in dem noch traditionell aus Indigo und anderen Naturmaterialien Wolle färbt und diese dann fein zu Teppichen webt. Wir bestaunten das aufwendige Kunsthandwerk sehr, auch wenn uns zum Kauf das nötige Kleingeld und der Platz im Rucksack fehlte.

Anschließend ging es weiter zum „Thule-Baum“. Die Aussage unseres Tourguides, dass dieser Baum so aussähe wie der typische männliche Mexikaner, konnten wir beim Anblick dessen recht gut nachvollziehen. Diese über 500 Jahre alte mexikanische Sumpfzypresse ist zwar nur 41 m hoch, hat aber dafür einen stolzen „Bauchumfang“ von 46 m und einen Stammdurchmesser von 14 m. Das macht den Mexikanernachbau zum dicksten Baum der Welt. Wahrlich ein echter Oschi.

Schlag auf Schlag ging es weiter zur UNESCO-geschützten Ausgrabungsstätte „Mitla“. Etwa 200 n.Chr. entstand hier eine Stadt, die in ihrer Hochzeit bis zu 10.000 Menschen beherbergte und erst vollständig unterging, als die Spanier ankamen, ihre Krankheiten mitbrachten und aus Gründen der Missionierung viele einst heiligen Stätten mit ihren Kirchen überbauten. Besonders interessant ist die Ornamentik in den Ruinen, welche aus einem senkrechten Mosaik von tausenden an kleinen, passenden Steinen besteht, die ohne Kleber oder Mörtel zusammen gepuzzelt sind. Selbst die schweren Erdbeben haben diesem Kunstwerk fast 2000 Jahre nichts anhaben können.
Wer so viel erlebt, muss natürlich auch ordentlich etwas mampfen. Im Preis enthalten war auch ein Buffet, dass vor allem mir, die Hotelbuffets nie kennen gelernt hat, das Herz höher schlagen ließ. Von Suppen, Salaten, verschiedenen „Mole“gerichten, Grillgut, Salsas und Grashüpfern war alles dabei. Nur sehr ungern bestieg ich danach den Bus, nachdem mein Plan eines Arbeitsvertrages oder der Adaption in die Familie des Koches gescheitert war.
Alles nicht so schlimm, denn auch für den Nachmittag stand ein kulinarisches Schmankerl an. Doch zunächst machten wir erst einmal ein kleines Entspannungsbad an der Hierve del Agua. Hier hat Calciumcarbonat über die Jahre versteinerte, weiße Wasserfälle und außerdem natürliche Pools gebildet. Da Christian seine Badehose vergessen hatte und die Rentnergang wasserscheu war, blieb ich die einzige, die im kühlen, angeblich heilenden Wasser badete.

Zum Glück für alle gab es anschließend noch ein Wässerchen der anderen Art. Was wäre Mexiko ohne Tequila fragt man sich? Auf jeden Fall nicht das, was man landläufig über das Land weiß. Dass der Tequila ein Agavenschnaps ist, wussten wir. Dass der Tequila jedoch nur aus der Art der blauen Agave hergestellt wird und alle anderen Agavenschnäpse Mezcál heißen, war für uns neu. Doch was würde sich besser für den Zugewinn an Schnapswissen eignen als eine Führung durch eine Mezcálfabrik mit anschließender Verkostung? Für die Herstellung von traditionellen Mezcál müssen die teils riesigen Agaven erst geerntet, grob zerteilt und dann in einem Feuer unter einem Erdhaufen tagelang gegart werden. Anschließend ziehen Pferde schwere Mahlsteine über die Masse, um sie vollständig auszudrücken. Diese Pampe wird eine Weile mit Wasser stehen gelassen, bis sich eine gegorene Maische gebildet hat. Erst dann kann das zweimalige Destillieren erfolgen. Bei der Herstellung von Tequila erledigen all diese Arbeitsschritte schon längst Maschinen. Dass Tequila also eigentlich der Fusel aller Agavenschnäpse ist, hätten wir nicht gedacht. Jetzt kam mit dem Verkosten der beste Teil der Führung. Jeder durfte sich an die 8 kleine Gläser Mezcál hinter die Binde schütten, der traditionell mit Orangenscheibe und Wurmsalz (Salz, Chili und zu Pulver gemahlene Magueywürmer) gelöscht wird. Ich brauche wohl nicht erwähnen, dass wir und die Rentnertruppe auf dem Rückweg nach Oaxaca auf einmal viel vergnügter waren…


Zum Glück hatten wir es den Tag zuvor so entspannt, denn nun stand mal wieder einer dieser denkwürdigen Busfahrten an. Der Bus nach Puerto Escondido an die Küste ist gemeinhin als „Vomit Express“ (Kotzexpress) bekannt und es war nicht so falsch, sich vor der Abfahrt noch mit einer großen Packung an Reisetabletten zu versorgen. Wenn man auf einer sechsstündigen Fahrt zwei Reisetabletten nimmt und immer noch einen flauen Magen und ständig schwelende Todesangst spürt, dann weiß man, dass es eine schlimme Busfahrt ist. Überholen vor Kurven und ständige Tempo 80 km/h plus auf engen Bergstraßen und Telefonieren am Steuer gehörten mal wieder zum Standardprogramm. Mit welchen Beistand auch immer kamen wir ganz schön fertig, aber mehr als froh schon im Dunkeln in Puerto Escondido an und organisierten die nächste Woche, die im Zeichen des Wellenreitens stehen sollte. Am nächsten Tag zogen wir in die Nähe vom Meer und staunten nicht schlecht, wie touristisch der Ort war. Eigentlich kein Wunder, denn der Ort ist nicht nur mit der hier vorhandenen lang gezogenen Riesenwelle „Zicatela“ von Profisurfern beliebt, sondern bietet auch an anderen Strandabschnitten mit sanfteren Wellen und Preisen, mit denen man auf Hawaii nicht mal eine 1/5 Surfstunde bekommt, für Anfänger das richtige.




Am nächsten Tag ging es nach einer kurzen Trockenübung auf dem Land gleich in die Fluten. Im richtigen Moment rannten wir durch die Brandungswellen hinein ins kühle Nass und paddelten mit voller Kraft hinaus auf den Pazifik. Wir machten uns gar keine Illusionen, schon beim ersten Mal wie die Profisurfer durch die Wellen zu gleiten. Tatsächlich wird man als Novize in die richtige Welle hinein geschoben und man bekommt genaue Kommandos, wann man mitpaddeln und aufstehen soll. Die Welle selbst zu erwischen ist nämlich der schwierigste Teil. Auf der Welle aufzustehen und zu fahren geht dann mit etwas Mut und Erfahrung aus dem Snowboarden und Skateboarden überraschend einfach. Wir hätten nicht gedacht, dass wir schon am ersten Tag fast jede Welle reiten können. Euphorisiert gingen wir zur Unterkunft zurück. Während Christian noch nicht genug Bewegung hatte und noch zum Volleyball spielen an den Strand lief, ging es mir auf einmal immer schlechter. Meine ersten Gedanken, dass ich mich bestimmt von den zwei Stunden Höchstleistung im Wasser unter praller Sonne überanstrengt hatte, wurde schnell von der Erinnerung an den Salat abgelöst, den ich am Morgen beim Einkaufen in der Kantine des Einkaufszentrums verspeist hatte. Die Vermutung bestätigte sich, als Christian wiederkam und nur noch ein zitterndes, fiebriges Häufchen Elend vorfand. Die Nacht verbrachte ich dann hauptsächlich auf dem Klo und des Ausstehens meines ersten Fiebers seit wahrscheinlich 28 Jahren. An Surfen war für mich am nächsten Tag nicht zu denken und so half mir Christian, meine Sachen in die äußerst schöne Unterkunft des Surfhauses zu bringen und besorgte mir außerdem aus der Apotheke einen ganzen Jahresvorrat an Probiotika und Elektrolyten. Gerade in solchen Situationen ist man sehr froh, nicht alleine zu reisen.
Während ich im Zimmer unter einem Strohdach mit Blick auf das Meer dahin vegetierte, stürzte sich Christian in eben dieses, welches heute besonders rau war. Mit Schürfwunden und blauen Zehen kam er wieder. Auf einer für uns größeren Welle zu reiten ist nicht das Problem. Gerät man jedoch erst einmal in die Brandungswellen, muss man viel Ruhe bewahren und sich möglichst flach machen, denn auf eine große Welle folgen in der Regel gleich ein ganzes Set, tauchen einen gnadenlos unter oder schieben einen auf die im Wasser verborgenen Steine. Wenn man so etwas mit für uns verhältnismäßig großen Wellen von 3-4 m und starker Unterspülung erlebt hat, hat man nur noch mehr Respekt vor den wagemutigen/suizidalen Manövern der Big-Wave-Surfer, die sich in bis zu 30 m hohe Wellen stürzen.


Nach einem freien Tag am Sonntag ging es am Montag in seichtere Gewässer. Während Christian ganz froh darüber war, hätten die Wellen für mich ruhig eine Nummer größer sein können. Jeden Tag ging es besser und am Valentinstag waren wir dann nach 5 Surfstunden schon echte Profis. Nein, Quatsch, das dauert noch ein bisschen. Trotzdem haben wir die Auszeit in der schönen Unterkunft bei viel Sonnenschein sehr genossen. Es war auf jeden Fall spaßig, das Wellenreiten einmal auszuprobieren, auch wenn wir wegen zu großen oder zu kleinen Wellen und der Nähe zu Steinen nicht immer optimale Voraussetzungen zum Lernen als Anfänger hatten. Auch das teils lange Warten im Wasser, ohne dass man auf dem Board stand, hat uns, die Geduld sicherlich nicht zu ihren Stärken zählen, etwas gestört. Am Ende waren wir uns beide einig, dass das Wellenreiten schon wegen der fehlenden Wellen in Deutschland wohl nicht unser neuer Lieblingssport wird. Eher unser (vor allem Christians) neues Hobby wird es wahrscheinlich, Autos zu kaufen. Jetzt, da Christians Führerschein sicher auf dem Weg nach Südamerika war, hatte er wie besessen alle möglichen Foren durchsucht, in denen Touristen ihre Karren in Chile verkaufen. Verschiedenste Vor- und Nachteile von Dachzelten oder „Drinneschläfern“, 4×4 oder nicht, altes oder neues Auto, Automarke etc. wurden durchgesprochen, bis wir uns schließlich für einen Van entschieden, der zusammen mit seinen niederländischen Vorbesitzern Mitte März in Santiago de Chile eintreffen sollte. Neben Aufregung und Vorfreude machte sich auch Besorgnis breit. War es wirklich eine gute Idee, ungesehen ein Auto zu kaufen und schon auch einen kleinen Teil anzuzahlen?
Noch einmal zurück zu den Lieblingsbeschäftigungen, dazu zählt nicht das Mitfahren im Minibus über Straßen, die mehr Kurven als Geraden haben, aber es gab keinen anderen Weg wieder nordwärts. So pumpten wir uns noch einmal mit Reisetabletten voll und kamen dann gegen Abend wieder in Oaxaca an.
Von da aus fuhren wir gleich den nächsten Tag mit dem Bus weiter nach Puebla, einer etwa 2 h südöstlich von Mexiko City gelegenen Stadt. Mehr als im gesamten Mexiko fiel uns die enorme Anzahl an alten VW Käfern ins Auge. Kein Wunder, denn seit 1964 sitzt dort das nordamerikanische Werk des Konzerns, der die robusten Kleinwagen noch bis 2003 baute. Die teils noch richtig gut erhaltenen Oldtimer wären in Deutschland eine gute Stange geld wert. Dort sind sie das günstigste Auto, mit dem man sich durch die Gegend bewegen kann. In Puebla erholten wir uns noch gut, denn der nächste Tag sollte einiges unserer Nerven und Adrenalinreserven kosten. Es war der Vortag meines Geburtstages. In aller Verzweiflung, dass sich bald vor mein Alter eine 3 mogeln würde, wählte ich den letzten Weg, dies zu verhindern und buchte einen Fallschirmsprung. Trotz Höhenangst wollte auch Christian aktiv dabei sein. Also fuhren wir zusammen mit dem Bus und Taxi zum eine Stunde außerhalb von Puebla gelegenen Gelände von „Skydive Puebla“. Schon als wir uns mit dem Taxi näherten, sahen wir im Minutentakt Menschen aus der Luft fallen und unsere Aufregung stieg merklich an. Wollten wir das echt auch gleich tun? Unser Taxifahrer wünschte uns nur viel Glück und so meldeten wir uns an. Danach ging alles recht schnell. In einem Instruktionsvideo wurden sämtliche Anweisungen, Warnungen und was-ist-wenn-Situationen abgespielt. Vielleicht war es gewollt, aber vielleicht war es auch ganz gut, dass circa 95 % des Videos aufgrund des enormen Geräuschpegels im Nebenzimmer gar nicht zu verstehen waren. Nachdem wir mit unserer Unterschrift auf alles verzichtet hatten, was man so verzichten kann, zogen wir einen schicken Ganzteiler-Fliegeranzug an. Gleich darauf bekamen wir zum ersten Mal die Menschen zu Gesicht, von denen in der nächsten halben Stunde unser Leben abhing. Obwohl sie mehrmals am Tag vom Himmel sprangen, fing jetzt die Aufregung richtig an.

Trocken wurde geübt, welche etwas unangenehme Stellung man im freien Fall und nach Öffnung des Fallschirmes einnehmen sollte. Da mein Tandempartner erst recht spät eintraf, hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, am nächsten an der Tür zu sitzen und dementsprechend als erster hinaus zu müssen. Wer zuletzt kommt, springt zuerst. Schon röhrten die Motoren der kleinen Cessna auf. Ich guckte zurück zu Christian, der komischerweise weiter hinten im Flugzeug einen Gesichtsausdruck hatte, als ob er gleich am Sonntagmorgen die Zeitung hinein holen wollte. Komplett tiefenentspannt der Mensch. Es dauerte gar nicht lange, da zeigte das grüne Licht an, dass wir mit mehr als 5.000 Metern Flughöhe nun da wären, wo man mal bequem herausspringen kann. Im Instruktionsvideo ging dazu das Bündel aus bald in die Hose machenden Mensch und Profi erst einmal zu Tür und stand da noch etwas. Die Frau im Video kehrte sogar zum Sitz zurück, weil sie es sich anders überlegt hatte. In Vorbereitung, mal einen Blick nach unten zu werfen, näherten wir uns also der Tür, ich noch halbwegs entspannt und dann – sprang der Typ einfach mir nichts dir nichts mit mir nach draußen. Jetzt war wohl nicht mehr der Augenblick, um es sich anders zu überlegen. Wind sauste an mir vorbei und machte es fast unmöglich, den Mund geschlossen zu halten oder zu atmen. Ein Gefühl zwischen Schock, Spaß und vollkommener Gehirnentleerung. Nach einer Zeit ruckte es und dann ging der Fallschirm auf. Noch ganz überwältigt wusste man gar nicht, was man denken soll und ein bisschen übel war mir auch. Überall stand, dass einem nicht übel wird, wenn man kopfüber aus einem Flugzeug fällt und der Körper alles Adrenalin herauspumpt, was ihm zur Verfügung steht. Das stimmt nicht. Aber als mein Lebensretter die Gurte etwas lockerte, wurde es merklich besser. Erst dann hatte man die Gelegenheit, den Blick über die Felder und den in der Nähe vor sich hin rauchenden Vulkan Popocatépetl schweifen zu lassen. Als ich noch ganz schön blass um die Nase die ersten Schritte auf dem festen Boden aufsetzte, landete Christian gleich darauf freudestrahlend neben mir. „Boah geil, gleich noch einmal“, waren seine Worte, während es mich erst einmal dazu zog, bei einem Bierchen meine zitternden Hände, äääh Knie zu beruhigen. Stilecht bei einem Corona feierten wir das Überleben, auch wenn das für mich bedeutete, dass die böse drei nun unaufhaltsam näher rückte. Wenigstens wurde die Trauer vom gemeinsamen Gucken von Christians GoPro-Video weggeblasen, denn er hatte es nicht geschafft, während des Fluges seinen Mund geschlossen zu halten. Wir lachten Tränen beim Anblick seiner flatternden Lippen im Flugwind.





Mit dem Plan, auf jeden Fall noch einmal irgendwann vom Himmel zu fallen, traten wir den Heimweg an. Dort machten wir uns etwas frisch, gingen leckere Pizza essen und steuerten dann die nächste Kneipe an. Das Geburtstagsreinfeiern stand an und dank zweier Franzosen und noch ein paar Mexikanern klappte das auch standesgemäß für einen 30. Klar war es ein bisschen traurig, dass keine Freunde oder Familie dabei waren, aber was gäbe es am Ende für ein besseres Geschenk, als ein Jahr Reisen und Auszeit von Arbeit. Die Kopfschmerzen, die sich komischerweise vor allem bei Christian am nächsten Morgen einstellten, sagten uns, dass wir mehr als genug gefeiert hatten. Als dann Familie und Freunde am nächsten Tag teilweise sogar mit Videotelefonie anriefen, war mein Glück perfekt. Als die erste Katerstimmung ein bisschen vorbei war, gingen wir uns ein bisschen ohne Stress Puebla anschauen und kauften dann alles für eine ordentliche Portion Sushi ein, die wir dann am Abend traditionell zum Tatort verspeisten.
Am nächsten Tag ging es auf einer kurzen Busfahrt wieder in unsere lieb gewonnene Stadt Mexiko City. Der erste Weg führte uns gleich zur deutschen Botschaft. Wenig später hielt Christian das Objekt der Begierde, einen regulären roten deutschen Reisepass in den Händen. Trotz des finanziellen Verlustes und der Rennerei war er schon ein bisschen stolz, nun im Reisepass den Vermerk „ausgestellt in Mexiko Stadt“ zu haben. Eine Erinnerung daran, dass man mit nach-vorn-Denken und Beharrlichkeit selbst nach einer absoluten Niederlage alles schaffen kann. Ein guter Tag!

Der letzte Tag in Mexiko Stadt stand an. Noch einmal wollten wir uns in das stürzen, was wir an Mexiko so liebgewonnen hatten- die farbenfrohen und lebendigen Märkte. Auf dem „Mercado Jamaica“ streiften wir durch die schier unzähligen Gassen zwischen Blumen, Gemüse, Obst und anderen tollen Sachen, ließen uns noch einmal unglaublich gute Tacos schmecken und kauften noch einen großen Sack frittierte Heuschrecken, deren Reste uns später in Chile noch ganz nützlich sein sollte. Aber dazu später mehr, denn zuerst einmal mussten wir ja schließlich nach Südamerika und damit auch zum ersten Mal für uns überhaupt über den Äquator auf die Südhalbkugel kommen. Also Sack und Pack aufgehuckelt und um 19 Uhr des 20.02.2019 hob der Flieger ab- zu einem neuen Land, einem neuen Kontinent, neuen Abenteuern.
Fazit Mexiko: Vielleicht wird man es schon herausgelesen haben. Wir, vor allem ich, sind in unserem Monat Mexiko echte Fans dieses Landes geworden. Es war genau dieses Land, was wir nach dem herunterziehenden Vorfall in Los Angeles gebraucht hatten. Die unglaublich warmen, fröhlichen Menschen machen es einem mehr als schwer, Trübsal zu blasen. Das leckere Essen hellt jede Mine auf. Und die Sonne, die fast immer vom Himmel lachte, tat ihr Übriges. Mexiko ist mit einer Mordrate von 19 Morden je 100.000 Einwohner wahrscheinlich nicht als sicherstes Land der Welt bekannt. Als wir in Puerto Escondido waren, sind nur 2 km weit weg am Abend drei Menschen erschossen wurden. Man muss aber auch bedenken, dass der Großteil der Gewalt mit dem grassierenden Drogenkrieg zusammenhängt, mit dem man als Tourist für gewöhnlich nichts zu tun hat. Wir haben uns entgegen der Warnungen der US-Amerikaner nie unsicher gefühlt, aber sind natürlich auch besonders nach LA keine wahnsinnigen Risiken eingegangen. So lange man sich in nichts einmischt, man die Augen aufhält und sich informiert, wo man wann und wie hinfährt, ist das Risiko zu sterben in Mexiko kein bisschen größer als im Haushalt. Insofern ist Mexiko eines der Länder, das wir uneingeschränkt empfehlen und jederzeit wieder bereisen würden. Besonders abseits der ausgetretenen Touristenpfade bietet sich ein Land, dessen Schönheit sich vom ersten Biss in den Taco und dem ersten freudestrahlenden „Bienvenidos a Mexiko“ auch dem größten Skeptiker erschließen wird.