Am Morgen mussten wir leider umziehen, da sich eine große Gruppe in das Hostel eingemietet hatte und wir so nur eine Nacht bleiben konnten. Wir ließen uns Zeit beim Auschecken, zogen in ein Guesthouse ein kleines bisschen weiter außerhalb des Stadtrings um und bummelten da noch etwas ab. Der einfache Grund für das Gebummel war, dass die Temperaturen die 40 Grad-Marke schon wieder überschritten hatten. Was in Deutschland sehr selten vorkommt, ist hier fast jeden Tag im Sommer Normalzustand.
Erst halb 3 fuhren wir mit dem Auto auf den Zizernakaberd-Hügel, um das gleichnamige Museum zu besuchen, welches den türkischen Genozid an den Armeniern thematisiert. Anfang des 20. Jahrhundert gab es etwa 1,4 Millionen Armenier, die als christliche Minderheit (10 % der Bevölkerung) im Osmanischen Reich (heute zum großen Teil Türkei) lebten. Nach vorherigen Einzeltaten an den Armeniern kam es vor allem in der Zeit des ersten Weltkrieges zu großen Vernichtungswellen. Der Grund dafür war vor allem, dass das Osmanische Reich kränkelte und so nach innen und nach außen als starkes, nationalistisches Volk wieder auferstehen wollten. Dass auch die Armenier mit Vergeltungsakten auf die Taten der Türken reagierten, spitzte die Situation weiter zu. Angefangen mit armenischen Intellektuellen, begannen planmäßige Liquidierungen und Deportationen, die sich bald auf die gesamte Minderheit ausbreiteten. Im Sommer 1915 wurden tausende Armenier, darunter viele Frauen und Kinder in die syrische Wüste getrieben und dort in Lagern ohne Nahrung zurückgelassen. Dies und andere Gräueltaten an den Armeniern nahmen auch andere Nationen wahr, sahen diesen aber tatenlos zu. Nach der Auflösung dieser Lager am Ende des ersten Weltkrieges war die armenische Bevölkerung im Osmanischen Reich auf etwa 600.000 Menschen geschrumpft. Es kam es einer großen Auswanderungswelle (Diaspora) vieler Armenier. Das bekannteste Beispiel dafür ist wohl die armenisch-stämmige US-Band „System of a Down“. Während andere Völker diese Taten heute als Genozid anerkennen, weigert sich die Türkei noch heute, dies zu tun.
Bei weiterhin nicht gesunkenen Temperaturen schauten wir uns noch das dazu gehörige Denkmal an und fuhren dann zurück ins Hostel. Von da aus nahmen wir das Taxi ins Restaurant, in dem wir schon gestern gewesen waren. Und ehe hier jemand mit: „Warum fahren die Geldsäcke nie mit Öffis“ anfängt. Das Verkehrsnetz ist für uns hier nicht so klar, da wir keinen Netzplan auftreiben konnten. Wenn außerdem die ersten 5 km Taxifahrt weniger als einen Euro kosten, liegt die Entscheidung auf der Hand. Heute gab es „Piti“ (eine mit Brot abgedeckte Kichererbsensuppe im Tontopf, Salat, „Dolma“ (gefüllte Weinblätter) und ein Gericht mit viel Gemüse und etwas Lamm.
So gestärkt wollten wir zu einer Free Walking Tour durch Yerevan aufbrechen. Dass die Zeit auf 19.45 Uhr nach hinten verlegt wurde, unterstützten wir aufgrund des Wetters. Nur leider hatten wir übersehen, dass auch der Treffpunkt verlegt wurde. Obwohl wir erst ziemlich enttäuscht über diesen Umstand waren, brachen wir kurzerhand zur eigenen Stadttour auf. Vom Platz der Republik ging es über die neue Fußgängerzone zur Oper. Diese soll wohl an die Semperoper angelehnt sein, nur ging wahrscheinlich beim Bau dann das Geld aus. Wie gesagt machten wir unsere eigene Stadttour, die eigentlich vornehmlich so aussah, dass wir zusätzlich zu den wenigen Informationen aus gespeicherten Internetseiten noch einfach ein bisschen Seemannsgarn zu örtlichen Statuen, Plätzen und anderen Baulichkeiten dazu erfanden. Ein Yerevaner würde staunen, was es in seiner Stadt plötzlich für Menschen und Gegebenheiten gab. Am Ende unserer kleinen, äußerst professionellen Stadttour stand das „Cafesijan Museum of Art“. Es ist ein mit 572 Treppen versehenes und in 5 Ebenen hinaufführendes, insgesamt 302 m hohes, terrassenförmig angelegtes Gebäude, das sich innerhalb und außerhalb der Kunst widmet. So beleuchtet und mit manch drehenden und leuchtenden Kunstinstallationen versehen, wirkte das Ganze wie aus einer anderen Welt.
Wieder zurück in der Fußgängerzone spielten ein paar Straßenmusiker traditionelle Musik. Eine große Traube von Menschen hatte sich um etwa 12 Passanten gebildet, die begeistert zur Musik tanzten. Wieder ein Ding, das in Deutschland so nicht passieren würde. Wir setzten uns noch am Platz der Republik an den Springbrunnen, um noch ein Bierchen zu schlürfen und uns ins Tanzstimmung zu versetzen. Weil dann aber keiner mehr mit uns tanzen wollte, fuhren wir zurück ins Guesthouse. Wir hofften, dort auf die Teilnehmer der Mongol Rally zu stoßen, die auch vor dem Guesthouse parkten. Da sie nicht kamen, tranken wir halt alleine noch ein Bier und gingen dann ins Bett.










