3./4.11.2017 – Teheran und Abflug

Nachdem wir all unsere Sachen gepackt hatten, fuhr uns netterweise der Guesthousepapa zum Busbahnhof, organisierte uns Karten und brachte uns zum Bus.
Nach etwa 4 Stunden landeten wir am Busbahnhof in Teheran, von wo aus wir dann mit der Metro zum Hostel fuhren. Leider konnten wir auch am letzten Tag keine Couchsurfing-Gelegenheit auftreiben, so dass wir in einem wahnsinnig schlecht bewerteten Hostel abstiegen, dass sich im Endeffekt aber als gar nicht so schlimm herausstellte. Nach etwas Zeit der Entspannung fuhren wir mit der Metro eine gefühlte Ewigkeit in den äußersten Norden der Stadt in den Stadtteil Tadschrisch (Tajrish). Noch etwas weiter nördlich endet das Gewusel Teherans abrupt und der Großstadtdschungel weicht Wasserfällen, Berglandschaften und kleinen Dörfern. Wir stürzten uns aber an der Metro-Station Tajrish noch einmal voll in das Gewusel, denn hier befindet sich der zweitgrößte Basar Teherans. Nach einer kurzen Stärkung mit reisgefüllten Paprikas und Weinblättern wurden wir von der Menge in den kleineren und übersichtlicheren, aber nichtsdestotrotz unheimlich vollen Basar mitgezogen. Reizüberflutung pur. Die Farben – roter Safran, lila Datteln, grüne Pistazien und alles in solchen Unmengen, dass man aus dem Staunen nicht mehr herauskommt. Nach dem Erwerb von Datteln, Safran und Baklava futterten wir uns noch ein wenig beim Olivenhändler durch und gingen dann in Richtung unseres ausgesuchten Restaurants.
Heute ließen wir es noch einmal krachen und gingen nahe der Metro im „Heeva“ essen. Beim Warten auf unser bestelltes Mahl kamen wir mit einem iranischen Pärchen vom Nachbartisch ins Gespräch. Rahman hatte zwei Jahre in den USA gearbeitet und auch seine Frau Haniya konnte gut englisch. Kurzerhand saßen teilten wir uns einfach unseren Tisch, statt ständig über zwei Tische zu reden, stellten unser Essen in die Mitte und quatschten über Gott und die Welt. Sie teilten nicht nur ihr Essen mit uns, sondern boten uns auch an, bei ihnen zu übernachten (was nicht ging, da wir ja schon im Hostel wohnten), Haniya schenkte mir eine Brosche zum Befestigen des Hijabs und dann boten sie uns an, uns zum Hostel zu fahren.
Unter der neugebauten, supermodernen, in architektonischer Meisterleitung gebauter Tabiat-Fußgängerbrücke hindurch ging es in sehr angenehmer Begleitung durch den verrückten Teheraner Verkehr. Bei der Verabschiedung machte Christian noch einen gewaltigen Faux-Pas. Da der Kontakt im Iran meist gleichgeschlechtlich oder von Männern ausgehend ist, hatte ich mich schon daran gewöhnt, erst die Hand zu geben, wenn es der iranische Mann auch tat. Auch weil die Rahnam und seine Frau so westlich gewandt waren, hielt Christian Haniya die Hand zum Abschied hin, woraufhin diese nur den Kopf schüttelte. Natürlich sind die Regeln eines Landes unbedingt zu akzeptieren, aber es ist schon komisch, wenn so etwas für uns automatisches und natürliches mit sittlichen Werten aufgeladen wird.
Der letzte Abend gab uns noch einmal ganz schön zu denken, ob wir wirklich das nächste Jahr durch eine Fährüberfahrt über das Kaspische Meer den Iran vermeiden sollten. Es wäre doch trotz aller Formalitäten (Carnet de Passage, Visa…) die Chance, diese überaus freundlichen Menschen noch etwas mehr kennenzulernen.
Nach einer letzten Nacht im Iran, packten wir unsere Taschen, schrieben (mal wieder auf den letzten Drücker) Karten und kauften noch ein paar Mitbringsel. Mit dem Taxi fuhren wir dann in Richtung Flughafen. Ein Metroanschluss zur Stadt wird erst in Kürze fertig gestellt.
Bei der Ausreise gab es noch einmal einen unschönen Zwischenfall. Ein Ordner stellte uns mit anderen Touristen in eine Schlange, die nur für Iraner zulässig war (so wie alle außer eine). Bei der Abfertigung meinte der Zollbeamte dann nur, ohne mich anzugucken „Only Iranians“. Ich erklärte ihm darauf hin, dass wir hier hin gestellt wurde, worauf er noch zweimal monoton das Gleiche wiederholte, dann einfach stur weiter nach unten guckte und mich ignorierte. Das ganze Machtspiel ging so zwei Minuten, bis er endlich wortlos die Abfertigung vollzog.
Es war eine Situation, die dieses ständigen Wechsel der Gefühle in diesem Land gut verdeutlichte.

Die unheimliche Freundlichkeit der Menschen und gleichzeitig unbarmherzige Regeln und Gesetze des Staates. Im Flugzeug schien nicht nur ich unheimlich froh zu sein, das Kopftuch nun wieder abzulegen. Ob wir uns vorstellen könnten, in diesem Land mit diesen Menschen zu leben? Ja, auf jeden Fall. Ob wir uns vorstellen könnten, in diesem System zu leben? Niemals!
Obwohl es auch in Deutschland oft eine große Schere gibt zwischen dem, was Recht und dem, was Gerechtigkeit ist, herrschen im Iran ganz andere Dimensionen vor. Am Ende muss jeder, der in den Iran reist, sich folgendes bewusst sein. Der Iran ist kein gefährliches Land voller Terroristen, die sofort die Atombombe zünden. Die Gefahren eines möglichen Erdbebens oder im Straßenverkehr sind da verhältnismäßig größer. Man sollte sich, auch als Tourist, unbedingt den Gesetzen anpassen und seine politische Meinung über den Staat nicht kundtun. Verhaftungen von „08-15-Touristen“ kamen grundlos meines Wissens nicht vor. Im Iran gilt aber aufgrund des politischen Systems noch mehr als in anderen Ländern das Credo „Nachdenken kann nicht schaden“ und „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“. Im Endeffekt muss jeder selbst wissen, ob er oder sie mit dem Besuch des Landes mehr oder weniger auch das politische System stützt. Für diese wunderbaren, iranischen Menschen bleibt zu hoffen, dass deren Zukunft bitte nicht westlich, aber wenigstens von der Wahrung von Menschenrechten geprägt ist.

 

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Safran in rauen Mengen auf dem Tajrish-Basar
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Für alle Fans der eingelegten Speisen und für alle anderen – Visit Iran!!

 


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