Am 13.09.2018 hoben wir also von Irkutsk in Russland mit Zwischenstopp in Hongkong nach Kuala Lumpur in Malaysia ab. Doch wer nach Hongkong fliegt, der muss auch damit rechnen, nicht nur mit Kantonesen, sondern auch einer Menge Festlandchinesen im Flugzeug zu sitzen. Christian jubilierte in Irkutsk noch, dass unser Weg zur Toilette nur so kurz ist. Ein fataler Fehler, wie sich schnell heraus stellen sollte. Wir waren noch nicht mal gestartet, da verlangten die in Reisegruppen reisenden Chinesen schon das erste Mal heißes Wasser für ihren Tee. Das Teegesaufe setzte sich den ganzen Flug in der Art und Weise fort, dass jeder chinesische Gast auf diesem Flug ansatzweise so viel Tee konsumierte, wie der deutsche Durchschnittsbürger jährlich. Wer Tee säuft wie ein Kamel nach der Saharadurchquerung muss natürlich auch nonstop urinieren. Schon mal einen Flug erlebt, in dem dauerhaft 15-20 Leute im Gang Schlange zur Toilette stehen? Nein? Wir bis dato auch nicht. Da wird beim Anstehen auch nicht auf die sitzenden Gäste Rücksicht genommen. Da wird gedrängelt und geschubst, ohne an das Wort „Entschuldigung“ auch mal zu denken. Bevor Christian ausrastete und jeden anstehenden Chinesen in mundgerechte Stücke zerlegte, tauschte ich mit ihm lieber den Gangplatz. Die russischen Stewardessen und Stewards leisteten bei diesem Flug Höchstarbeit. Ohne die Geduld und Freundlichkeit zu verlieren, servierten sie eimerweise heißes Wasser und beförderten manuell die an der Toilette wartenden Chinesen zu Seite, weil diese nicht auf „Excuse me“ reagierten.
Selbst als wir in Hongkong landeten, wussten wir immer noch nicht, ob wir gleich jemanden töten oder lachen sollten.
Der Luxus des Flughafens in Hongkong ließ uns erst einmal wieder ein bisschen herunter kommen, bevor wir weiter flogen. Die Einreise nach Kuala Lumpur verlief freundlich und problemlos, denn schließlich brauchen deutsche Bundesbürger bis zu einem Aufenthalt von bis zu einem halben Jahr kein Visum. Nach Simkartenkauf und dem Abheben von malayischen Ringit aus dem Geldautomaten erwischten wir mit viel Glück den letzten KLIA (Flughafenzug in Kuala Lumpur) zum Hauptbahnhof „KL Sentral“. Dort waren wir dann nach dem langen Flug so müde, dass wir dem völlig überteuerten Angebot eines Taxifahrers, uns in die 1,5 km entfernte Unterkunft zu bringen, einfach nachgaben. Wir staunten nicht schlecht, welches luxuriöses Apartment wir hier für 30 Euro gebucht hatten. Tatsächlich kann man in Kuala Lumpur wohl so günstig wie nirgendwo in Fünfsterne-Hotels nächtigen. Wollten wir aber gar nicht, und so gaben wir uns mit unserem Apartment mit zwei Ebenen und Infinity-Pool und Fitnessstudio im gleichen Gebäude mehr als zufrieden. Genau das hatten wir jetzt gebraucht.
Am nächsten Tag schliefen wir erst einmal, so lang es ging und machten uns dann auf den Weg Richtung Alor Street. Dort sollte es einen Markt mit unzähligen Essensständen geben. Malaysia ist für seine Küche bekannt, die sich aus einem Mix aus indischen, chinesischen und malayischen Elementen zusammensetzt. Als wir endlich da ankamen, war da jedoch gar nichts. Kann auch nicht, denn ich hatte übersehen, dass es sich um einen Nachtmarkt handelte. Um die vollkommene Hungereskalation zu vermeiden, kehrten wir am Anfang der Straße in einen kleines kantinenähnliches Straßenrestaurant ein. Während ich mir schon den Teller mit malayischen Spezialitäten voll lud, stand Christian daneben und fragte erst einmal: „Sag mal, hast du eine Ahnung, was das eigentlich ist?“ Tatsächlich hatte ich (bis auf den Reis) null Ahnung. Aber die verschiedenen Currys und Gerichte sahen lecker aus und so schmeckte es auch . Wo kriegt man schon in Deutschland ein frischgekochtes, vielseitiges (und dazu noch höllisch scharfes) Mittagessen für zwei Personen mit Getränken für 3,50 € ? Hier könnte es uns gefallen!
Wir schlenderten hinüber in die Petaling Street. Hier um Umkreis ist Chinatown. Durch Jahre zurück liegende Immigrationsbewegungen gibt es in Malaysia neben den muslimischen Malaien, die größtenteils hinduistischen Inder und die zum Teil buddhistischen Chinesen. Obwohl Religion, Herkunft, Traditionen und auch das Aussehen der Volksgruppen sich unterscheidet, wird trotz aller Unterschiede auch staatlich versucht, einerseits Raum zur Entfaltung der eigenen Werte zu geben, aber auch andererseits Frieden und Einigkeit zu stiften. Auch wenn dieser Konsens natürlich Zeit gebraucht hat, zeigt es doch mal wieder, dass ein Zusammenleben unterschiedlicher Menschen möglich ist, wenn die Menschen nur ein bisschen über ihren eigenen Tellerrand schauen. In Chinatown kann man sich wirklich fühlen, wie direkt in China gelandet. Da ist der arabische/türkische Einfluss in der Sonnenallee in Berlin noch sehr klein dagegen. Ich finde das toll. Man fährt ein paar Kilometer in einer Stadt und ist auf einmal in einer anderem Land, in einer anderen Kultur mit einer anderen Religion und einer anderen Küche. Und das ganz ohne großes Loch in der Kasse und Jetlag.

Gestärkt fuhren wir erst einmal zum offensichtlichen Wahrzeichen der Stadt. Einst die höchsten Türme der Welt, nun immerhin noch die höchsten Zwillingstürme der Welt, dominieren die Petronas Towers die Stadt. Während wir kräftige Nackenschmerzen dabei bekamen, an den Türmen entlang nach oben zu schauen, ließ sich Christian ein Weitwinkelhandyobjektiv andrehen. Glücklich und beseelt mit seinem neuen Spielzeug schoss er gleich ein paar Selfies mit kompletten Turm im Hintergrund.



Essen, Gucken und Fotos machen ermüdet und so relaxten wir anschließend im Park hinter den Petronas Tower noch ein Stündchen. Als die Sonne langsam an Kraft nachließ, bahnten wir uns den Weg zum Menara KH – Gebäude. Gar nicht so einfach, denn in Kuala Lumpur wird gebaut wie verrückt und man kann nie sicher sein, dass Wege, die Google Maps noch anzeigt, nicht plötzlich von einem einem neuen Glasfassadenhochhaus zugebaut sind. Oben auf der Skybar des Menara KH, die am Abend aus einem tagsüber genutzten Helikopterlandeplatz entsteht und außer den teuren Getränken kostenlos ist, kann man ziemlich gut sehen, was aus dieser Stadt, die erst 1857 mitten im Urwald gegründet wurde und wortwörtlich „schlammige Flussmündung“ heißt, entstanden ist. Modernste Hochhäuser so weit das Auge reicht. Aber dazwischen auch viel Grün, um sich in dem Stadttrubel ein bisschen Pause zu gönnen. Den Sonnenuntergang hoch über Kuala Lumpur erleben – 12, 50 €. Die Zeit dafür haben, den richtigen Reisepartner und sich bewusst sein, wie gut man es hat- unbezahlbar!


Soviel Leben genießen macht hungrig, also gingen wir jetzt zur richtigen Zeit auf den Nachtmarkt in der „Alor Street“. Neugierig schauten wir dort zu, wie andere zum ersten Mal in ihrem Leben Durian, eine Frucht, die auch als „Stinkfrucht“ bekannt ist, probierten. Wir konnten gar nicht so schnell schauen, wie wir in die Fruchtverkostung involviert wurden. Tatsächlich ist der Geruch um es nett auszudrücken betörend, der Geschmack aber nicht halb so schlimm, wie ich es mir immer vorgestellt hatte. Durian schmeckt ein bisschen wie Zwiebelhonig, den man sich gegen Husten herstellt. Den Hype so mancher Asiaten und Westler, welche diese Frucht, die nicht mal günstig ist, förmlich anbeten, ist für uns also genauso unverständlich, wie beim Kosten von Durian bald sein Innerstes nach außen zu kehren. Des Weiteren gab es an diesem Abend noch Jackfruit, die ein bisschen nach Kinderkaugummi schmeckt und nachdem ich meine neu entdeckte Jackfruitallergie therapierte verschiedene gegrillte Gemüse- und Fleischspießchen, ein Reisdessert und einen gegrillten Frosch. Vollgefuttert hüpften wir von dannen.


Für den nächsten Tag hatten wir uns über das Internet einen Bus nach Pulau Pangkor gebucht. Die größte Sehenswürdigkeit da ist nichts, nichts und noch einmal nichts, was die Insel perfekt für unsere Post-Mongol-Rally und Prä-Indien-Reise prädestinierte. Nach der sechsstündigen Busfahrt und anschließenden Fährüberfahrt residierten wir dort auf einem Steg direkt im Wasser im „Pangkor Fish House“. Während Luxusversionen dieser Art Unterkunft lächerlich teuer sind, reichte uns auch das sehr einfache zehn Quadratmeter-Zimmer mit kleinen Balkon und zwei riesigen Krokodilen, die unter dem Rollerschuppen lebten. So fern das Wetter gut war, sausten wir eh mit einem Roller um die winzige Insel, lagen am Strand, gingen baden oder ließen uns das örtliche Essen und Bierchen schmecken.


Nach vier Tagen Erholung ging es dann wieder zurück nach Kuala Lumpur in unser Apartment. Abends testeten wir eine der kleineren Malls aus. Diese sind in vielen Ländern null mit unseren Einkaufszentren vergleichbar. Groß wie mehrere Fußballfelder mit hunderten von Geschäften, Unterhaltungsmöglichkeiten oder Restaurants hat sich dort ein eigener Mikrokosmos des Kapitalismus entwickelt. Obwohl Shopping überhaupt nicht unser Ding ist, gab die „Gardens Mall“ wenigstens Gelegenheit, Christians Hunger auf Burger ordnungsgemäß zu stillen. Als wir danach Obst kaufen wollten und gerade überlegten, ob uns die Langsats, eine litschi-ähnliche Frucht nicht zu teuer sind, teilte ein junger Malaie einfach seine mit uns. Jeglicher Protest über die überschwängliche Freundlichkeit, die man überall erlebt, war mal wieder vollkommen sinnlos.
Nach unserem Obstfrühstück am nächsten Tag fuhren wir die eine Station zum Hauptbahnhof, um von dort aus zu den Batu Caves im Norden Kuala Lumpurs zu fahren. In der Wartezeit auf den Zug deckten wir uns noch reichlich mit Sushi ein, dass hier so billig und gut ist, dass wir uns schon halb zum Sushiröllchen verwandelt haben. Nach einer halben Stunde Fahrzeit kamen wir an den Batu Caves an. Mitten in den Felsen hinein liegt dort ein hinduistischer Tempel. Am Fuße der 272 Treppen, die zu diesem Heiligtum führen, bewacht eine 42 m große, goldene Statue des Gottes Murugan das Heiligtum. Nicht bewachen kann sie allerdings die Besucher vor den Rhesusaffen, die in Gangs organisiert so ziemlich alles stehlen, was nicht niet- und nagelfest ist. Aufgeputscht von gestohlenen Chips, Keksen und Energydrinks machen sie vor nichts Halt. Ohne Erfolg versuchten bei unserem Besuch Mitarbeiter einem in dem Bäumen sitzenden, nun gut mit Ringit und Kreditkarten ausgestatteten Äffchen die Geldbörse einer unachtsamen Dame wieder abzujagen. Die Batu Caves an sich fanden wir im Endeffekt ganz schön touristisch und maximal landschaftlich interessant.



Am gleichen Abend stillten wir das Interesse am Essen jedoch mehr als genug, denn jeden Donnerstag findet im Südwesten der Stadt auf 2 km Straßenlänge der Connaught-Nachtmarkt statt, der auch den größten Esser sicher nicht hungrig zurück lässt. Wir gönnten uns gegrillte Austern, kleine in einen Art Muffin eingebackene Oktopusse (was auch immer die Mehrzahl von Oktopus ist), Erdnusspancakes, chinesische Reisnudelrollen, ein Nudelpfannengericht, ein Shrimpsomelett und Papayasalat. Als Nachtisch gab es noch ein paar Rambutan, eine stachlige, kleine Frucht, deren Inneres etwas an Litschi erinnert.

Den nächsten, letzten vollen Tag verbrachten wir noch einmal mit Nichtstun in der Unterkunft, gingen im Pool schwimmen und ins Fitnessstudio. Gegen Nachmittag gab es für jeden von uns eine einstündige Thaimassage für insgesamt 24 Euro, die erstaunlicherweise so schmerzhaft wie wohltuend war. Am Abend besorgten uns eine riesige Portion Sushi für 12 Euro, um den Abend beim Tatort ausklingen zu lassen. So lässt es sich leben…
Am 21. September schliefen wir dann noch einmal richtig aus, verpassten die Checkout-Zeit und mussten deshalb unsere gerade noch in aller Eile zubereiteten Spaghetti mit Tomatensauce im Flur der Unterkunft verzehren. Macht nichts, schmeckte trotzdem.

Mit dem KLIA-Express ging es gegen um zwei Uhr Nachmittag zum Flughafen. So einfach und organisiert wie alles in Malaysia dachten wir, dass wir mit drei Stunden eigentlich viel zu früh am Flughafen waren. Wären wir auch gewesen, wenn wir ähnlich organisiert gewesen wären. Als gerade der Schreckmoment vorbei war, dass wir am falschen Flughafenterminal ausgestiegen waren und wir so noch eine Station weiter fahren mussten, fragte man uns am Check In, wo unsere ausgedruckten Visa für Indien seien. Nach all der umfangreichen, 140 Euro teuren Visa-Beantragung, bei der man alles, vom Geburtsort der Eltern bis zu seinem persönlichen Lieblingseis eingeben musste, hatten wir nicht daran gedacht, dass es eventuell nötig sein könnte, das Ganze als E-Mail vorliegende Dokument zu drucken. Noch schlimmer, Christian stellte voller Entsetzen fest, dass er die E-Mail aus Versehen gelöscht hatte. Nach einer weiteren halben Stunde, in der die Zeit beständig gegen uns tickte, konnte jedoch sowohl eine nette Informationsdame mit 1a-Druckfähigkeiten und auch das E-Visa von Christian noch aufgetrieben werden. Vollkommen außer Atem checkten wir unsere Koffer ein und joggten Richtung Gate. Dort stand schon die Schlange zum Boarden. Glück gehabt. Ob sich unser Glück (im Unglück) auch in Indien fortsetzen würde?
Fazit Malaysia: Wir haben leider nicht allzu viel von Malaysia gesehen, dass in seiner Fläche nur etwas kleiner als Deutschland ist. Dass was wir gesehen haben, hat uns überaus positiv überrascht. Die Vielfalt der Menschen spiegelt sich in allen Lebensbereichen wieder und bereichert das Land. Malaysia ist ein süd-/ südostasiatisches Land für Einsteiger. Gerade Kuala Lumpur zeigt, wo sich das Land hin entwickeln soll. Aufgeräumt, organisiert, zukunftsorientiert. Trotzdem findet man auch ein bisschen liebenswertes Chaos, Straßenküchen, Natur und dörfliches Leben. Wir kommen definitiv hier wieder her, um noch mehr von diesem Inselstaat zu entdecken. Ganz im Geheimen haben wir sogar schon über einen Umzug nach Malaysia geredet. Absolut und ohne Abstriche empfehlenswert!

Sehr schön geschrieben!
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